Ein Bauersmann, der auf der sogenannten Höhe seine Kuh melken wollte, fand sie nicht bei der Hütte, sondern erst nach langem Suchen weit entfernt auf einem Felsen, der mit Alpenrosen bewachsen war. Die Nacht fiel herein; auf einmal stund vor ihm ein Geist, der ihn mit diesen Worten anredete: „Du kannst mich aus den Qualen des Fegfeuers erlösen, wenn du an einem gewissen Abend, wo ich dir wieder erscheinen werde, mich berührst. Mir voran wird aber furchtbarer Lärm gehen, dass der Boden, auf dem ich stehe, erzittern wird." Der Bauer versprach ihm dieses und der Geist verschwand. Am andern Tag machte sich jener zu einem Beichtvater und fragte ihn, ob dieses erlaubt wäre. Gern unterstützte ihn derselbe hierbei und bat ihn recht inständig, sich doch nicht fürchten zu lassen. Dieser machte sich an den bestimmten Ort, wo ihm der Geist erscheinen sollte. Er kam zur Nachtzeit dahin. Auf einmal hörte er um sich her ein furchtbares Geheul und Jammergeschrei; es streubten sich seine Haare vor den Feuer sprühenden Teufeln, die ihm ihre Krallen in den Leib zu schlagen drohten. Furcht und Entsetzen bemächtigte sich seiner. Er vergass das gegebene Versprechen; Besinnung und Mut zerflossen in Nichts. Er rannte auf und davon, stolperte über Stock und Stein, so dass er weder wusste, wo er sich befand, noch merkte, dass er sehr stark am Beine beschädigt sei. Der Geist aber schrie immer furchtbarer: „Ich muss jetzt abermal tausend Jahre Qualen leiden." Durch dieses Geheul wurde der Felsen, auf welchem der Geist stand, so erschüttert, dass er sich teilte, und deshalb wird dieser Ort von da an Spalt genannt.
Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Bei dieser Sage gibt es keine genaue Zuordnung zu einem der fünf Kantone. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.