Sankt Petrus; Peter auf der Wanderschaft

Land: Schweiz
Kategorie: Legende

a) Auf einer Reise langten Jesus und Petrus in einer Herberge an, wo sie in einem Bette schlafen mussten. Der Herr lag an die Zimmerwand hin, Petrus vorne an der zugänglichen Stelle. Er war ordentlich unruhig. Da kommt deshalb nachts elf Uhr die Wirtin, ein zormütig Weib, und beweist dem überraschten Petrus die Schlagfertigkeit ihres Temperaments. Wie sie fort war, fiel ihm ein, die Widerhaarige möchte nochmals von dieser fatalen Lust angewandelt auftreten und er machte dem Herrn den Vorschalg, die Plätze zu wechseln. Der liebe, sanfte Jesus willfahrte. Das Weib erschien um zwei Uhr nochmals und kündete sofort jetzt dem, der an der Wand liege, ihre Schläge an, die wirklich schnell genug ihren Gegenstand fanden.

b) Ein andermal kamen die beiden an einem Wirtshause vorbei, wo ein Zimmermann eben Hochzeit hielt. Petrus fühlte heftigen Durst und da der Herr nicht trinken mochte und auch den Jünger abmahnte, ging dieser ungehorsamerweise doch in die Kneipe. Zur Strafe machte ihm Jesus gleich eine Geige auf den Rücken. Petrus, der es nicht merkte, ward von den Hochzeitgästen mit vollen Gläsern begrüsst, indem sie sagten: „Gut, dass du kommst, wir hatten keine Spielleute; nun trinke wacker, dann spiel auf.“ Das Trinken verstand Petrus, aber die Worte vom Geigen hielt er für puren Scherz, und als er den Ernst sah, versichere auch er ernstlich, dass er, ein Fischer, nicht geigen könne und wolle. Jetzt fiel eine Tracht Schläge von nervigen Fäusten auf ihn nieder. Die Nutzsanwendung gab ihm bald daraf Jesus, dem er es klage, zu verstehen.

c) Und wieder einmal reisten Jesus und Petrus mitsammen, es war im heissen Sommer. Auf dem Wege fanden sie ein Hufeisen. Der Jünger, vom Meister eingeladen, es zum Verkauf mitzunehmen, wollte nicht. Da hob Jesus selbst es auf, veräusserte es in der nächsten Hufschmiede und kaufte um den Erlös Kirschen ein. Bald klagte Petrus auf dem Weg über Durst und schlich trübselig dem Heilande nach. Jesus liess endliche eine Kirsche auf die Strasee fallen. Petrus bemerkte sie, bückte sich und ass. Dann fiel eine zweite, dritte und so weiter, bis Jesus die Reisetasche ganz der Kirschen entleert hatte. Petrus hatte sie alle aufgehoben und gegessen. „Wegen der Kirschen hast du dich nun so manchmal gebückt, und wegen dem Hufeisen wolltest du es nicht tun!“ rief ihm jetzt der Heiland belehrend zu.

d) Petrus und Philippus waren beim Herrn, als er den Kanton Wallis durchwanderte. Bei Martinach nahm ein dichter Wald sie auf. Darinnen setzten sie sich nieder, assen, was sie bei sich hatten und hielten dann im grünen weichen Moose ein Schläfchen. Darüber zogen die Wolken sich dicht zusammen und ein Platzregen rauschte bald herab. Des Heilands Mantel wurde ganz durchnässt. Doch nicht lang, und die liebe Sonne schien wieder mild und freundlich. In der Nähe erblickten die Apostel einen alten Baumstumpen, welcher oben einen Auswuchs hatte. An diesem breiteten sie jetzt den nassen Mantel aus und warteten geduldig ab, bis er trocken war. Als sie endlich von da wieder aufbrechen und weiterziehen wollten, sagte Petrus: „Lieber Meister, der Stumpen hat gut getan, mache einen Menschen aus ihm.“ Jesus, die Gefälligkeit selbst, erfüllte den Wunsch. Der Baumstrunk verwandelte sich wunderbar in einen Menschen um, bei dem sogar mit genauer Ökonomie des Materials jener Auswuchs verwertet erschein, - er sass vorne am Halse. So entsand der erste Walliser.

e) Jesus und Petrus trafen in einer armen Hütte eine notdürftige Kindbetterin an, die nichts zu essen hatte als ein mageres Mus. Jesus hob die Rechte und sprach seinen Segen darüber. Bald darauf machten sie in einem Hause Rast, wo eine reiche Frau bei gutgeschmalzener Suppe sass. Der Heiland gab hier den Segen nicht und Petrus wunderte sich hernach deshalb. „Die erste hat den Segen nötig gehabt; der andern war die Suppe sonst nahrhaft genug." - Sagte doch jüngst eine arme Taglöhnerin in einer Fabrik zu mir: „Den Reichen gibt Gott die Gab, den Armen die Gnad."

 

f) Unsere Wanderer näherten sich später dem Hause eines gewissen Juden. Mehrere standen in der Flur und kurzweilten. Einer von ihnen hasste den guten Jesus so sehr, dass er nicht mit ihm reden mochte und gleich, weil er sich gerade nicht anders verbergen konnte, in eine Stande (Kufe) kroch, die für ein geschlachtetes Schwein parat war. Schnell deckte man etwas darüber. Als nun der Herr mit Petrus sich zu den Übrigen gesellte, fragte er während dem Gespräch, was da drinnen in der Stande sei. Sie antworteten: „Ein Schwein." Mit ernster Miene sagte der Heiland: „Gut, es sei und bleibe ein Schwein darin." So war es in der Tat, eine strafende Wandlung war geschehen. Und von selber Stunde an bekommen alle Schweine im Rückgrat ein Bein, das einen Mann in einer Stande darstellt. Es heisst jetzt der Säuludi.

 

g) Der Heiland traf einst den Sankt Petrus neben einem Dornbusch sitzend und in gar trauriger Stimmung an, denn der Aposel litt unausstehlich Zahnweh. Jesus gbab ihm ein Mittel an: „Geh zu einem Brunnenquell, nimm einen Mud voll frisch Wasser, bete das Gebet, das ich dich gelehrt, spucke dann das Wasser aus, und so machs drei mal.“ Es hat geholfen.

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Bei dieser Legende gibt es keine genaue Zuordnung zu einem der fünf Kantone. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

 

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