Der Schratten ist ein Bergstock südwestlich vom Dorfe Flühli, hinten im Entlebuch. Der ewige Jude Ahasverus ist schon dreimal hier vorbei gewandelt. Das erstemal war der Schratten ein Weinberg, hernach eine Alp und zuletzt teilweise nur noch ein kahler Felsen. Hört, wie es so gekommen ist. Zwei Brüder, von denen einer blind war, besassen hier Güter und wollten teilen. Der Blinde hatte Vertrauen in die Gerechtigkeitsliebe seines Bruders und überliess ihm die Ausmarkung. Allein dieser setzte die Grenzen nach Willkür und eignete sich die fetteste Alpe zu. Um seine einzige Tochter freiten die vornehmsten Söhne, denn sie war reich und schön, aber unendlich stolz. Nur demjenigen wollte sie gehören, welcher den Schibegütsch auf der steilsten Seite zu ersteigen vermöge. So manches Wagniss, so mancher Todfall und der Unwille ward gross und grösser. Nun vernahm es auch der Blinde, wie er betrogen sei und tat den schweren Fluch gegen seinen Bruder: dass der Teufel die prächtige Weide zerreissen und den Ungerechten samt seinem Kinde weiter nach Gebühr behandeln möge. Gesprochen, und Satan wüstete den Platz zum kahlen Felsen um, dem er seine Krallen einprägte. Man sieht sie noch. Den ungerechten, meineidigen Mann warf der Böse in ein Loch beim Schibegütsch, und wer vorübergeht, wirft einen Stein hinein, wie es bei Absoloms Grab in Jerusalem geschieht. Das hochmütige, grausame Meitli bekam für ewige Zeiten seinen Aufenthalt in der Höhle unter dem Schibegütsch und bewacht da seinen Schatz.
Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.