Gegenüber dem Rotigo-Haus zwischen Raron und Sankt German erhebt sich ein hoher, ziemlich ausgedehnter Kalkfesen, den eine Humusschicht deckt. Der recht romantisch aussehende Felsen bildet Hügel und Vertiefungen, trägt Kornäcker und Weideflächen und hie und da Spuren von einstigen Gebäuden. Diese Hügel selbst hiesst seit undenklichen Zeiten Heidnischbiel und die Überlieferung meldet, es sei in vorchristlicher Zeit auf seinem Scheitel ein Götzentempel gestanden und das Gelände ringsum sei eine heidnische Ansiedlung gewesen. Ergeht man sich auf den sonnigen Hängen des Heidnischbiel, so findet man nicht selten von Zeit und Witterung gebleichte und verkalkte Knochen und Splitter, von denen das Volk sagt, es seien die Überreste der Opfertiere aus jener Heidenzeit. Mehrmals erregten sie schon die Aufmerksamkeit der Forscher. In dieser Gegend war es nicht immer geheuer. Oft wollte man bei nächtlichen Gängen von Raron nach St. German oder umgekehrt, hier Ungeheuer und Schreckensgespenster bald in Gestalt eines riesigen Hundes, bald eines schwarzen Widders oder Ziegenbockes mit glühenden Augen und flammender Zunge gesehen haben.
Im Innern des Heidnischbiel soll sich ein grosser Schatz aus der Heidenzeit befinden. Ein Gang führt hinein. Daraus strömt der kalte Hauch einer Kröte, die diesen Reichtum da bewacht. Wer das Gold besitzen möchte, muss dieser Kröte drei Küsse geben.
RARON
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch