In Saas erzählen sich die Leute, vor uralter Zeit habe einmal eine Schar Feinde über den Monte-Moro ins Land einfallen wollen. Niemand wusste etwas von ihrem Anzuge. Als sie die Passhöhe überschritten hatten, lief ein Taubstummer, der in seinem Leben bisher nie ein Wort gesprochen hatte, wie wahnsinnig in der Distelalp, der ersten am Passe, von Hütte zu Hütte und stammelte überall die Worte: «Sie kommen, sie kommen die Tällibörter herunter.»
Alles geriet in Aufregung. Der Taubstumme nahm eine Steinplatte auf die Achsel, stieg damit auf ein Hüttendach und schrie laut: «Den ersten, der kommt, schlag’ ich tot!» Und es kam einer, angetan mit einem hellroten Rocke; er war den übrigen vorausgeeilt. Der Stumme hielt Wort und schlug ihn tot, als jener an ihm vorübergehen wollte. Gleich zog er ihm den roten Rock aus, legte ihn selber an, nahm den losgerissenen Kopf des Erschlagenen in die Hände und zog so dem Feinde entgegen. Die Alpweiber ergriffen Gabeln, Sensen und andere Instrumente und folgten emsig. Da erschraken die Feinde über diesen Anzug so, dass sie umkehrten und eilig wieder über den Mondellipass aus dem Lande liefen.
Bei dieser Gelegenheit soll das Mirakelbild der Muttergottes zur hohen Stiege, damals noch in einer Mauer unter freiem Himmel, Blut geschwitzt haben.
SAAS-ALMAGELL
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch