Ein Mann aus Zermettjen in Täsch, Peter Joseph Schallbetter mit Namen, der 1752 geheiratet hatte, wurde angeklagt, er habe über das Wetter und die Obrigkeit geflucht. Ein erschwerender Umstand war allerdings, dass er reich war und viele Kühe im Stalle hatte. Er wurde des Schwörens wegen zum Tode verurteilt; es musste ihm jedoch eine Gnadenfrist eingeräumt werden, weil er sich an den Bischof von Sitten, Präfekten des Wallis, gewandt hatte. Der edle Oberhirt begnadigte ihn. Das konnten die Richter voraussehen, es war ihnen aber der reichen Erbschaft wegen nicht gelegen; darum bestellten sie im Verborgenen Leute, die den Boten im Kipfenwalde aufhalten sollten, wenn nötig, bis auf die anberaumte Zeit. Und die Richter verordneten die Hinrichtung des Verurteilten genau auf die Minuten, die laut Gesetz eingehalten werden mussten. Als der Bote in grösster Eile ankam, sah er schon von ferne den Richtplatz voll Menschen. Er fürchtete, zu spät zu kommen, schwang darum ein weisses Sacktuch hoch in die Luft und schrie so laut er vermochte: «Gnade! Gnade!» Aber es war zu spät! Schallbetters Haupt lag eben in den letzten Zuckungen auf dem Boden, als die Gnadenbotschaft zur Richtstätte gelangte.
Die Richtstätte war auf der Nordseite des Dorfes St.Niklaus, zwischen Gerstern und dem Esch an der Talstrasse gelegen. Es blieb unter dem Volke die Sage, das abgeschnittene Haupt des Hingerichteten habe sich auf dem Richtplatze nicht begraben lassen, sondern sei stets auf dem Gottesacker in St. Niklaus gefunden worden. Auch soll der Tote einem Freunde erschienen sein und tröstend gesagt haben: «Der dritte Richter ist der gnädigste gewesen!»
Dem Ort, wo Schallbetter hingerichtet wurde, sagt man noch heute ,Heichertola‘.
RANDA
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch