Der Schatz in den Diebjen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Die Diebjen liegen eine halbe Stunde oberhalb des Dörfleins Unterdembiel bei Zeneggen. Ganz früher stand da nur ein einziges Haus mit den nötigen Nebengebäuden. In diesem Hause war es aber nicht geheuer; denn so oft jemand es wagte, über Nacht dort zu bleiben, fand man ihn am Morgen tot. Es blieb unter solchen Umständen unbewohnt, und die Liegenschaften wurden sozusagen wertlos.

Eines Tages kam ein fremder Handwerksbursche, fragte nach Arbeit und bat vorläufig um Unterkunft für diese Nacht. Der Besitzer der Diebjen, ein braver und arbeitsamer Mann, hatte oft den Plan gehabt, in seinem Gütchen Verbesserungen vorzunehmen; aber er fand niemand, weil sich niemand der Gefahr aussetzen wollte, das Leben zu verlieren. Da kam ihm der Bursche gerade recht. Er trug ihm die Arbeit an, verschwieg ihm aber durchaus nicht, dass in dem Häuschen, wo er übernachten müsse, mehr als einer am Morgen tot aufgefunden worden sei. Der Fremde, dem auch der Landbau nicht unbekannt war, ging den Handel ein, und, da er kein Hasenherz war, erklärte er sich bereit, schon diese Nacht das Häuschen zu bewohnen. Er stieg also hinauf zu den Diebjen und schaute sich das Häuschen an.

Es gefiel ihm. Er schickte sich sogleich an, eine warme Suppe zu kochen. Eben brodelte recht lustig die Suppe in der Pfanne; da stieg ein Fuss durch den Kamin herunter, ihm folgte ein zweiter Fuss, bis endlich ein ganzes Leibgebilde vor ihm stand, aber es war kein rechter Mensch, sondern nur ein schwarzes, höllisches Gespenst. Und dieser Geist nahm sogleich mehrere Schlüssel von der Wand herab, unter andern auch den Hausschlüssel. Er wollte ihn dem Burschen geben und befahl ihm: « Öffne das Haus!» - «Ich habe es nicht geschlossen, ich öffne es nicht!» antwortete der Bursche. Beide traten vor die Haustüre, die tatsächlich nicht geschlossen war. Dann führte ihn der Geist bis zur Kellertüre. « Öffne!» herrschte er ihn wieder an. «Ich hab’ sie nicht geschlossen, ich öffne sie nicht!» gab kurz der Fremde zurück. Die Türe sprang auf, und sie standen mitten im Keller. Der Geist holte Werkzeuge herbei und befahl ihm, den Kellerboden aufzugraben. Die Antwort lautete: «Ich hab’ hier nichts vergraben, hab’ auch nichts zu suchen.» Das Gespenst grub nun selbst und stiess beim Graben auf eine grosse Steinplatte. «Hebe die Platte!» gebot der Geist. «Ich habe sie nicht hingelegt und hebe sie nicht», sagte der Bursche. Nach langer Anstrengung hatte der Geist die Platte gehoben. Es kamen drei Häfen zum Vorschein. «Öffne die Häfen!» lautete der gleiche Befehl. «Ich hab’ sie nicht zugedeckt, brauch’ sie auch nicht zu öffnen», erwiderte der unerschrockene Begleiter. Immer mehr verlor sich die schwarze Farbe des Gespenstes und spielte allmählich in ein mattes Weiss über. Als der Geist auch die Deckel von den Häfen hinweggehoben hatte, sprach er: «Jetzt bin ich erlöst!»

«Da in diesem Hafen ist Gold; das gehört den Armen. In jenem Hafen ist Silber; das gehört dem rechtmässigen Eigentümer. Im letzten Hafen sind Münzen; die gehören dir. Hättest du mir gefolgt und geöffnet, so hätte ich noch hundert Jahre büssen müssen. Ich habe nicht nach Vermögen Almosen gegeben, habe den Nebenmenschen übervorteilt und nicht alles ganz genau wieder erstattet. Wie schwer wiegt doch alles später! Ich habe im Leben übermässig das Zeitliche gesucht und nach den Batzen gehascht. Sie gehören nun dir, der du mir zu meiner Erlösung verholfen hast.» Sprach`s und entschwand dann wie ein glänzendweisser Engel. Auch der Gold- und der Silberhafen verschwanden, nur der mit Münzen gefüllte Hafen blieb zurück. Er bot dem Burschen den Grundstock zu seiner späteren Wohlhabenheit.

ZENEGGEN

Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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