Auf den Balmen in Jännigen war einmal ein Dinner, der mit dem Vieh besonders grob und barbarisch umging. Besonders mussten die Schweine, die seiner Obhut anvertraut waren, gar oft seinen Zorn fühlen.
Es war auch ein Schwein da, das sehr hungrig war und immer schon vor den andern zurückkehrte und durch lautes Grunzen seinem Hunger Ausdruck gab. Da gab es denn oft Schläge in Hülle und Fülle für das arme Tier. Doch das Hungergefühl war stärker als die erlittenen Schläge, und immer wieder kehrte es zu ungewohnter Stunde zur Hütte zurück. Der Dinner geriet hierüber immer mehr in Zorn und dachte: «Wart, dir will ich einmal geben, dass dich für zwei Tage nicht mehr hungert.» Des andern Tages stellte er einen Eimer voll heisser Milch bereit, und wie das Schwein wiederkehrte, schüttete er dem armen Tiere die siedendheisse Schotte über den Rücken. Grässlich schreiend, stürzte das so misshandelte Tier von dannen, sprang, vom Schmerz überwältigt, über einen jähen Felsen und blieb unten zerschmettert liegen.
Nach wenigen Jahren starb der Dinner. Von da an sah man einige Sommer jede Nacht einen Mann mit einem toten Schwein auf dem Rücken mühsam den Felsen heraufkrabbeln. Oben angekommen, legte er das Schwein nieder und ging der Hütte zu, bereitete dort einen Eimer voll siedender Schotte, leerte ihn dann bis zur Neige unter entsetzlichem Gestöhn und Gejammer, kehrte darauf zum Schwein zurück und stürzte sich mit diesem über den Felsen hinab. Dieser Auftritt wiederholte sich so jede Nacht zum Schrecken der Hirten. Das war die Strafe für den groben, zornigen Dinner.
BINN
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch