Im Fieschertal am Unterberg waren früher furchtbar viele Schlangen. Da liess man einen fahrenden Schüler kommen und stellte ihn an, wenn er etwas Courage und Fähigkeiten habe, diese zu bannen. Er erklärte, wenn nicht mehr als zwei weisse Schlangen in der Gegend seien, gehe es; seien aber drei weisse Schlangen da, dann könne er sie nicht bannen. Die Leute versicherten ihm, mehr als eine hätten sie nie gesehen.
So zog der Student spielend den Unterberg hinauf bis auf eine Fluh und blies ein flötenartiges Instrument. Dort spielte und "tütlete" (dudelte) er weiter, bis die Schlangen von allen Seiten herzukamen; es wimmelte nur so. Sie legten sich um diese Fluh. Es gab so viele, dass zuletzt der Stein ringsum eingefasst war von Schlangen, und der Student war von ihnen bis über die Knie umgeben. Zwei weisse Schlangen kamen, aber die dritte kam nicht. So konnte der Student sie bannen und ins Weisswasser werfen. Die Fieschertaler behaupten jetzt noch, am Unterberg, sehe man heute keine Schlangen. Es soll auch Tatsache sein, dass einer vor nicht allzu langer Zeit diesseits des Weisswassers eine Bürde Heu fasste. Diesseits gibt es Schlangen. So band er versehentlich eine in die Bürde und wollte das Heu hinüber nach Unterberg tragen. Mitten auf dem Weisswasser habe die Schlange so gewütet, dass der Mann glaubte, er müsse das Heu ins Wasser fallen lassen. Schliesslich konnte sich die Schlange befreien. Sie sprang in grossem Bogen ins Weisswasser und verschwand. Die Schlangenverbannung war vielleicht so vor hundert Jahren.
FIESCHERTAL
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch