Das erzählte mein Vater. An einem Orte war eine Prinzessin verbannt und musste dort einen Schatz bewachen. Einst zog da ein junger Mann vorbei, und plötzlich stand ein wunderschönes Weibsbild vor ihm. Er fragte sie, was sie denn hier zu tun habe, in ihren schönen Kleidern. Sie sei eine Prinzessin, die hier einen reichen Schatz bewachen müsse, bis sie einer erlöse, antwortete sie. Ob er es etwa wagen wollte. Er fragte, was es denn zu tun gebe.
Sie komme in drei verschiedenen, abscheulichen Tiergestalten auf ihn zugeschlichen oder zugeschossen. Einem von diesen drei Tieren müsse er einen Kuss geben, es sei gleich welchem. Aber er solle es ja nicht versprechen, wenn er nicht sicher sei, die Probe zu bestehen, sonst sei sie nachher noch viel unglücklicher als vorher. Sie bitte ihn kniefällig, die Sache zu überlegen.
Er wollte es trotzdem wagen. Dann verschwand die Jungfrau. Kurz darauf kam eine schreckliche, hässliche, aufgeblähte Kröte auf ihn zugehüpft. Sie stieg an ihm empor; da erfasste ihn ein solcher Ekel, dass er es nicht wagen durfte, ihr einen Kuss zu geben. Das Tier zog sich schliesslich zurück. Es kam die Schlange, das war noch schlimmer. Die kam auf ihn zugeschlängelt, schlich an ihm empor, mit offenem Gebiss, und schnellte die Zunge hervor. So durfte er auch hier nicht. Als dann der Löwe mit drohendem Rachen auf ihn zugesprungen kam, lief er davon und wagte es erst recht nicht.
Die Prinzessin aber wünschte ihm einen furchtbaren Fluch nach.
BELLWALD
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch