Der Schüler der schwarzen Schule

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Ein Bursche trat bei einem Meister der schwarzen Schule in den Dienst. Der dachte, sein Diener könne weder lesen noch schreiben, und er wies ihn an, jeden Tag ein Blatt eines grossen Buches zu wenden und eine Kiste Geld zu durchwühlen.

Der Bursche tat fleissig seinen Dienst, las im Buch und lernte die Zauberstücke auswendig. So kannte er sie besser als der Meister selbst. Er kehrte zu seiner Familie zurück, und als es mit dem verdienten Geld zu Ende ging, sagte der Bursche zu seinem Vater: «Wenn Ihr ein schönes Hundehalsband kauft, dann kann ich mich in einen Hund verwandeln. Ihr müsst mich verkaufen, doch gebt Acht, dass Ihr das Halsband immer behaltet, dann werdet Ihr Geld genug haben.»

Der Hund jagte ausgezeichnet. Ein Herr, der auf jener Jagd dabei war, kaufte ihn für eine grosse Summe ab. Der Vater nahm das Halsband weg, und in der nächsten Nacht war der neue Herr seinen schönen Hund gleich wieder los und fand ihn nie wieder.

Mit einem neu gekauften Halfter verwandelte er sich in ein schönes Pferd und liess sich von seinem Vater unter der gleichen Bedingung verkaufen.

Auf dem Weg zum Markt trafen sie als Ersten den Meister der schwarzen Schule. Der erkannte mit einem Blick, was für ein Pferd das war, er kaufte es schnell und entfernte sich im Galopp mit Pferd und Halfter. Nachdem er es in den Stall gestellt hatte, wollte er es dort erschiessen. Als das Pferd sah, woran es war, befreite es sich mit den Vorderbeinen aus dem Halfter und floh als Vogel aus dem Fenster. Der Meister folgte ihm als Sperber bis vor den Königspalast, wo die Prinzessin auf einer Laube spazierte. Der Vogel kam ganz nahe, liess sich von ihr fangen und in einen Käfig sperren. Der Sperber flog durchs Fenster und machte, dass der Käfig zu Boden fiel. Der Vogel verwandelte sich in einen Edelstein und verschwand in den Spalt zwischen zwei Bohlen. Der wütende Sperber wollte den Edelstein aufpicken, aber der verwandelte sich in ein Schwein und frass dem Sperber den Kopf ab. Jetzt hörte der Bursche die Prinzessin kommen und verwandelte sich schnell in einen fröhlichen Vogel. Die Prinzessin betrachtete den verstümmelten Sperber und fragte sich, wie das geschehen sei. Der Vogel pfiff, da verwandelte er sich in einen schönen Burschen und erzählte ihr sein ganzes Leben. Die Prinzessin verliebte sich in ihn und wurde seine Frau. An der Hochzeit gab mir die Braut einen Tritt in den Arsch; den blauen Fleck habe ich jetzt noch.

(Oberhalbstein)

 

Quelle: Die drei Hunde, Rätoromanische Märchen aus dem Engadin, Oberhalbstein und Schams. Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler/Kuno Widmer, Desertina Verlag, Chur 2020. © Ursula Brunold-Bigler.  

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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