Wenn jemand zu einer Arbeit kommt, die er nicht gerne tut, oder wenn es sich sonstwie trifft, dass er zu unpassender Zeit erscheint, so empfängt man ihn in Oltingen etwa mit den Worten: «De breichsch’s grad as wie der Mutti vo Rieche» oder «De chunnsch grad rächt wie der Mutti vo Rieche». Nicht selten liegt in diesem Ausspruch eine versteckte Einladung zum Zugreifen bei der Arbeit, die man gerade «underhänds» hat.
Wenn nun aber der Ankömmling zu wissen begehrt, was es mit diesem «Muttibueb vo Rieche» (Riehen) für eine Bewandtnis habe, so wird ihm folgende Anekdote erzählt:
Der Muttibueb von Riehen war ein verwachsener Bursche, aber trotz seiner Missgestalt stets voller Galgenhumor. Er lebte zu einer Zeit, da es noch üblich war, dass man Fehlbare zur Bestrafung an den Pranger stellte oder sie öffentlich auspeitschen liess. Einmal' hatte es auch den Mutti wieder getroffen, dass er eine vorgeschriebene Anzahl Schläge in Empfang nehmen sollte. Viele Leute eilten in die Stadt, um diesem Schauspiel zuzusehen. Unterwegs begegneten dem Mutti, der seine Strafe schon entgegengenommen hatte, ein paar solche Neugierige, die sich verspätet hatten. Er fragte sie: «Wo weit-er hi?» — «He, uf Basel go zueluege. Chumm au mit, der Mutti vo Rieche chunnt Streich über!» Mutti, den sie offenbar nicht kannten, — so weit her kamen sie — erwiderte schalkhaft: «Der chömmet z’spot, ’s isch scho verby. I bi grad noh rächt cho, mir hets grad noh glängt!»
Quelle: G. Müller/P. Suter, Sagen aus Baselland, Liestal 1939.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch