Landauf, landab kennen die Buben — und teilweise auch die Mädchen — das Erdwybli- oder Marmilchloch, eine Höhle in der Thürner Fluh. Sie wissen, dass in der engen Klamm vor Zeiten Erdwybli hausten, kleine, freundliche Wesen, die gegen die Menschen hilfreich waren. Kecke Burschen wagen sich nicht selten in die ehemalige Wohnung des heimlichen Volkes hinein. Durch einen schrägen Gang gelangen sie zunächst in die «Küche», die sie an dem «Herd», einem runden, senkrechten Loch im Felsen, erkennen. Von hier aus steigen sie noch in die «Stube», einen hohen, domartigen Raum, empor oder kriechen unter der «Speckseite» hindurch in den hintersten Teil der Höhle. Es heisst, dass ein Gang bis nach Gelterkinden oder noch weiter führe. Doch ist dies nicht sicher; denn niemand kann sich erinnern, diesen unterirdischen Weg gegangen zu sein.
Die Erdwybli waren nicht besonders scheu. Am helllichten Tage gingen sie unter die Menschen und arbeiteten für sie. Nur in Bezug auf ihre Füsse waren sie merkwürdig schamhaft. Immer hatten sie dieselben mit Lappen umhüllt oder hielten sie unter ihren langen Röcken verborgen. Einmal arbeiteten sie in der Gelterkinder Mühle. Die Müllerin, ein sehr neugieriges Weib, beschloss, das Geheimnis ihrer Füsse zu lüften. Sie streute deshalb Mehl auf eine Treppe, wo die Erdwybli hinaufsteigen mussten. In kurzer Zeit entdeckte sie denn auch überall weisse Fussabdrücke. Diese verrieten ihr, dass die Zwergweibchen — Entenfüsse hatten. Die kleinen Geister hatten aber die List der Müllersfrau wohl gemerkt und kamen nicht wieder, ja, sie verschwanden ganz aus unserer Gegend.
Nach einer andern Überlieferung hat die böse Müllerin rings um das Haus überall heisse Asche gestreut. Darin verbrannten sich die Zwerglein ihre nackten Füsslein; denn sie trugen keine Schuhe.
Quelle: G. Müller/P. Suter, Sagen aus Baselland, Liestal 1939.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch