Der Baumgeist

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Wenn man von Oberdorf im vordern Frenkental nach dem Tschoppenhof (Liedertswil) geht, muss man halbwegs durch den Leisenberg und das Kohlholz, dann führte das alte Strässchen steil über den Martinsmatthügel; die jetzige neue Strasse schneidet den Hügel im Südhang.

Auf diesem Hügel standen einst herrliche Obstbäume; namentlich Kirschen gediehen daselbst in Hülle und Fülle. Heute stehen nur noch wenige und geringe Bäume dort. Der alte Baumgarten, so darf man ihn wohl nennen, war in der Obhut eines Geistes, der nicht den geringsten Frevel duldete. Darum kam vor der Erntezeit auch nicht die kleinste Frucht abhanden, während anderswo Lausbuben und erwachsene Obstschelme eifrig naschten und damit viel Unfrieden und Misstrauen erregten. Es hiess, man dürfe keinen der Bäume fällen, sie müssten alle eines natürlichen Todes sterben.

Nun bekam der Martinsmatthügel einen neuen Besitzer. Das war ein junger, übermütiger Mann, der am liebsten spielte und jagte. Er pfiff auf den Baumgeist und sägte eines Herbsttages mit frevlerischer Lust den schönsten Kirschbaum um und machte dazu faule Witze. Aus dem gesunden Stammholz liess er sich eine breite Bettstatt schreinern. — Es gab weder Sturm noch Regen in der nächsten Zeit, es geschah überhaupt nichts Auffälliges. Aber in den folgenden Jahren wollten fast keine Kirschen und Äpfel mehr reifen an den Bäumen auf dem Martinsmatthügel. Und der Besitzer fing an über Schlaflosigkeit zu klagen und magerte ab. Auch die Bäume wurden zusehends geringer, bekamen die Spitzendürre und trieben Wasserschosse. Eine alte Frau sagte, das komme davon, wenn man an keinen guten Geist mehr glaube, und es werde noch ganz anders kommen. Nach wenigen Jahren starb ein Baum nach dem andern ab und als der letzte in einer Winternacht umsank, hörte man weithin ein Seufzen und Klagen. Drei Tage darauf überfiel den übermütigen Bauern ein hitziges Fieber, dem er bald erliegen musste. Sein Nachfolger pflanzte neue Bäume auf den Hügel, aber sie wurden nie mehr so stattlich und ertragreich wie die alten, denn der Baumgeist hatte die Gegend verlassen.

Die aufgeklärten Leute sagen, das alles sei dummes Zeug, der wirkliche Grund sei ein anderer: der Boden sei zu mager und der Biswind ziehe dort zu heftig, und Obstschelme glauben an keine Geister, sondern nur an ihre Schlauheit und den Appetit.

Quelle: G. Müller/P. Suter, Sagen aus Baselland, Liestal 1939.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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