Auf einer Emmentaler-Bergheimat hatte ein Dienstmädchen die Kühe ihres Meisters zu melken, als darüber eines Abends eine große Schlange mit einer goldenen Krone auf dem Kopfe durch die offene Stalltüre zu ihr herein kam. Das Mädchen geriet beim Anblick des Tieres in Bestürzung, aber sie erinnerte sich, schon gehört zu haben, daß die Schlangen besonders gern Milch tranken. So faßte sie sich nun, machte behende ein Grübchen in den Boden, und schüttete Milch hinein.
Der unbequeme Gast kroch herzu, trank behaglich und verschwand. Am andern Tage aber stellte er sich wieder um die Melkzeit ein. Da merkte das Mädchen, daß es sich nicht zu fürchten brauche, und gab dem Thier fortan die Milch aus einem eignen Schüsselchen. Weil sie sonst ein heitres und frisches Mädchen gewesen war, seither aber manchmal in sich gekehrt schien, dachte endlich der Meister, sie nehme etwa von einem Sennen der Nachbarschaft Besuche an.
Als sie ihm aber nach langem Sträuben ihr Erlebniss anvertraut hatte, schärfte ihr dieser ein, es ja recht geheim zu halten, fleißig zu beten und den Verlauf der Sache unter Gottes Schutz abzuwarten. Die Schlange kam noch immer, wurde täglich zutraulicher und schlief endlich beim Mädchen im Bette, und so blieb es bis auf die Zeit, da ein braver und hübscher Jüngling offen um die Magd freite. Als der Abend vor der Hochzeit da war, kam die Schlange wie sonst in des Mädchens Schlafkammer und nahm den gewohnten Platz ein. Morgens beim Erwachen war das Thier schon verschwunden, aber seine Krone hatte es diesmal in des Mädchens Schoß liegen lassen. Nie kam es wieder. Das Mädchen ward ein glückliches Eheweib; die Schlangenkrone hinterblieb als Hausschatz ihren wohlgeratenen Kindern.
Quelle: E. L. Rochholz, Naturmythen. Neue Schweizer Sagen, Leipzig 1862.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch