Das Dörfchen Zufikon, eine Viertelstunde von der Stadt Bremgarten im Reußtal, grenzt an den Saum eines großen Tannenwaldes, den Nüeschwandwald. In ihm liegen mancherlei alte Mauertrümmer weitschichtig um eine Kapelle umher, bei der einmal des Jahres am Elsbethen Tage Messe gelesen wird. Dies sind die Überreste jenes Schlosses, welches hier einst der Ritter von Aufikon bewohnte. Er hatte seine Silber-und Goldschätze in einer Eisenkiste verwahrt, die er von vier Hunden beständig bewachen ließ, und nebstdem besaß der Freiherr noch eine schöne Tochter, um deren Hand zu werben jedoch sich keiner unterstehen durfte, welcher nicht gleichgroße Reichtümer in die Ehe mitzubringen vermögend war.
Allein die Else hatte schon anders entschieden, sie liebte einen jungen Burschen aus dem Dorfe. An einem langen Seil, welches von ihrem Fenster bis an den Fuß des Schlosses hinab reichte, war derselbe schon manches Mal in ihre Kammer gestiegen, da entdeckte ihn endlich einmal der Ritter und jähzornig stach er ihn zusammen. Die Leiche wurde im Graben verscharrt.
Bald ging aber auch der Freiherr zu Grunde. Seine eigene Tochter beschlich ihn im Schlafe und traf ihn mit demselben Dolche, unter welchem ihr Liebster gefallen war. Dann entfloh sie und wo sie hernach geendet hat, ist unbekannt. Die Burg war herrenlos und zerfiel, nichts blieb übrig als die Geldkiste mit den vier Hunden. Bei ihr sieht man nun die Else sitzen, im weißen Brautkleide, mit offenen Haaren, weinend bis zur Morgendämmerung und das Wort stets wiederholend „wer mich lieb hat, hol mich heim!" Für ihre Seelenruhe hat man diese Waldkapelle erbaut und ihrer Namenspatronin St. Elsbeth geweiht.
Sei still, sagen die Zufikoner Mütter zu boshaft schreienden Kindern, schweig, oder es muß dich die Zufiker-Else holen!
(Emil Maurer v. Bremgarten.)
Quelle: E. L. Rochholz, Naturmythen. Neue Schweizer Sagen, Leipzig 1862.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch