Einmal ging ein Wanderer an einer Kirche vorbei, als man eine alte Frau beerdigte. Alle weinten, nur der Wanderer lachte laut. Er begegnete einem armen Mann, und der fragte den Wanderer, weshalb er so laut lache. Der Wanderer antwortete: «Da oben beerdigt man eine alte Frau, und alle weinen; das ist doch zum Lachen!» Der Arme sagte: «Man darf nicht lachen, sondern muss sagen: ‹Gott sei ihrer Seele gnädig!›»
Der Wanderer ging ein Stück weiter und kam zu einer Scheune. Hier war ein Metzger, der ein Pferd schlachtete. Der Wanderer sagte zum Pferd: «Gott sei seiner Seele gnädig!» Der Metzger fragte: «Was sagst du?» Der Wanderer antwortete: «Oh, jetzt habe ich es bestimmt richtig gesagt!» «Nein!» gab der Metzger zurück, «man muss sagen: ‹Der Abdecker mit dem Aas!›»
Wieder ging der Wanderer ein Stück weiter und begegnete einem Herrn und einer Dame in einer Kutsche. Der Wanderer sagte zu ihnen: «Der Abdecker mit dem Aas.» «Das darfst du nicht so sagen!», wies ihn der Herr zurecht, «sondern du musst sagen: ‹Das wär auch etwas für mich!›»
Ein Stück weiter kam der Wanderer zu zwei Männern, die wacker aufeinander einschlugen. Als der Wanderer das sah, rief er: «Das wär auch etwas für mich!» Wütend kam da einer der Männer dahergerannt, haute ihm eine zünftige Ohrfeige herunter und sagte: «Das wär’s für dich!»
Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch