Es war einmal ein Graf und eine Gräfin, die hatten eine einzige Tochter. Dieses Mädchen war noch nie ausserhalb des Schlosses gewesen.
Eines Tages bat sie den Vater, spazieren gehen zu dürfen. Der Vater erlaubte dies, und das Mädchen zog die schönsten Kleider an und steckte an alle Finger goldene Ringe. Dann ging sie über eine Ebene und fragte einen Mann, der mähte, wo es frisches Wasser gebe. Der Mann zeigte zu einem Hügel hinauf und sagte: «Dort drüben gibt es frisches Wasser.» Das Mädchen ging zur Quelle, aber sie wusste nicht, wie sie trinken sollte. Sie streifte die goldenen Ringe ab und legte sie neben sich auf eine Steinplatte. Dann trank das Mädchen Wasser, und als sie zurückschaute, fand sie ihre Ringe nicht mehr. Da rief sie: «Wo sind meine Ringe?» Eine Stimme antwortete: «Ich habe sie.» Das Mädchen bettelte: «Gib mir die Ringe zurück!» Da kam ein Frosch aus dem Wasser und sagte: «Wenn du mich mit dir essen und schlafen lässt, so bringe ich die Ringe zurück.» Das Mädchen versprach es, und dann brachte der Frosch die Ringe zurück. Sie steckte sie wieder an die Finger und ging nach Hause. Als das Mädchen zurückschaute, war der Frosch hinter ihr her, und der sagte dann zu ihr, sie solle nur vorangehen, er komme ihr schon nach. Sie langte beim Schloss an, und der Frosch war ihr auf den Fersen. Da konnte sie gerade noch das Tor vor dem Frosch zuschlagen. Der Vater fragte, wer draussen sei, und das Mädchen erzählte ihm alles. Auf Befehl des Vaters musste sie den Frosch ins Schloss und beim Nachtessen neben sich essen lassen.
Als das Mädchen schlafen ging, sprang der Frosch hintennach und ging mit ihr ins Bett.
Am Morgen aber, als der Vater ins Zimmer der Tochter trat, lag ein wunderschöner Bursche neben ihr, und mit dem machte sie fröhlich Hochzeit.
Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch