Die verwunschenen Äpfel

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Ein Vater hatte drei Söhne. Am St. Martinstag kaufte er ein schönes Apfelbäumchen, dessen Früchte immer dann reif wurden. Doch jedes Jahr wurden sie in der Nacht vor dem St. Martinstag gestohlen. Am Vorabend sagte der Älteste, er wolle aufbleiben und schauen, wer nachts die Äpfel stehle. Er nahm sein Gewehr und ging in den Garten hinaus. Nach einer Weile aber nickte er ein und schlief tief und fest. Am Morgen waren die Äpfel fort. Ganz traurig ging er zum Vater und schämte sich deswegen.

Das nächste Jahr sagte der mittlere Sohn, er wolle die Äpfel bewachen. Auch er nahm ein geladenes Gewehr und ging im Garten herum. Doch nach einer Weile nickte auch er ein und schlief bis am Morgen. Als er aufwachte, war es taghell, und die Äpfel waren weg. Auch er ging mit schlechtem Gewissen zum Vater, weil auch er versagt hatte.

Das dritte Jahr, am Vorabend des St. Martinstages, sagte der Jüngste, diesmal wolle er die Äpfel bewachen. Er nahm ein Gewehr und eine Nadel, stieg auf den Apfelbaum und wartete. Als er müde wurde, stach er sich mit der Nadel in die Hände, um den Schlaf zu vertreiben.

Gegen Mitternacht fliegt eine Taube auf den Apfelbaum und beginnt die Äpfel zu pflücken. «Nur langsam!» ruft der Bursche und will auf die Taube schiessen. «Schiess nicht auf mich! Diesen Apfelbaum hat euer Vater von einem gewissen Zauberer gekauft, der den Baum seiner Mutter gestohlen hat. Ich aber habe das Recht, jedes Jahr die Äpfel zu pflücken. Doch drei will ich dir schenken, einen kannst du dem Vater und je einen deinen beiden Brüdern geben.» Dann verwandelte sich die Taube in ein schönes Mädchen, sie redeten sehr lange miteinander und verliebten sich. Das Mädchen gab dem Burschen einen wunderschönen Brautring und sagte: «Ich schenke dir da einen Ring, und wenn du zu mir auf mein Schloss kommen willst, so schau nur immerzu auf den Ring. Solange er leuchtet, geh du nur weiter, und du erreichst mein Schloss!» Dann nahm das Mädchen Abschied und ging weg.

Am andern Morgen gab er die drei Äpfel dem Vater und den Brüdern als Beweis, dass er den Apfelbaum bewacht hatte. Und dann machte er sich auf den Weg zum Schloss seiner Braut.

Er kam schnell voran, solange der Ring leuchtete, und schliesslich gelangte er zu einem finstern Wald, wo es alle möglichen wilden Tiere hatte. Kaum war er im Wald, begegnete er einem alten Mann, der fragte ihn, wohin er wolle. Der Bursche erzählte ihm alles. Doch der Alte meinte, es sei unmöglich durch diesen Wald zu gehen; die wilden Tiere würden ihn in Stücke reissen. Voller Angst fragte der Bursche den Alten, ob er keinen Rat wisse, wie er durch den Wald komme, ohne von den wilden Tieren gefressen zu werden. «Ich kann dir nur einen Rat geben», antwortete der Alte, «nämlich ein Stück Wild zu schiessen, alles Fleisch aufzuschneiden und wenn die wilden Tiere dir folgen, ihnen die Stücke vorzuwerfen.» Der Bursche befolgte den Rat, er schoss ein Stück Wild und schnitt alles Fleisch in Stücke. Als er mitten im Wald war, folgten ihm alle möglichen wilden Tiere. Er warf jedesmal ein paar Bissen Fleisch nach hinten, die wilden Tiere stürzten sich darauf und rissen sich darum. Als sie alles gefressen hatten, folgten sie ihm wieder hintennach. Dann drehte er sich nochmals um, um ihnen ein paar Bissen hinzuwerfen, und so konnte er aus dem Wald fliehen. Jetzt verfolgten ihn die wilden Tiere nicht mehr, und er konnte ruhig ein grosses Stück in einer weiten Ebene weitergehen. An deren Ende sah er ein Schloss, welches gleich wie sein Ring leuchtete. Da lief er schnell und gelangte bald dorthin. Seine Braut kam ihm entgegen, gab ihm die Hand, hiess ihn willkommen und begleitete ihn zum Schloss. Nach wenigen Tagen machten sie Hochzeit und lebten fröhlich im Schloss, wo alles vor Gold, Silber und kostbaren Edelsteinen leuchtete.

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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