Es war einmal ein Müller, der hatte einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn war ein Dummkopf, der nichts anderes konnte als Unfug treiben.
Eines Tages ging er mit einem Schwein auf den Markt. Auf dem Weg durch einen Wald zum Dorf, wo der Markt war, kam ein Tyrann auf ihn zu, packte das Schwein und nahm es mit. Der Dummkopf folgte dem Tyrannen bis zu seiner Höhle, wohin er mit dem Schwein verschwand. Doch der Dummkopf getraute sich nicht, ihm zu folgen. So musste er nach Hause gehen: ohne Schwein und ohne Geld. Da seine Leute wütend wurden, sagte er: «Ich kriege den, der mit unserem Schwein abgehauen ist, schon noch!»
Am andern Morgen steht er sehr früh auf, zieht Mädchenkleider an und geht in den Wald, wo ihm das Schwein gestohlen worden ist. Nach einer Weile begegnet er einem Diener des Tyrannen. Der fragt ihn: «Wohin gehst du?» Und der Dummkopf antwortet: «Ich suche einen zum Heiraten.» Da sagt der Diener: «Mein Herr würde gerne heiraten, komm du grad mit mir!» Der Tölpel geht in die Höhle des Tyrannen. Sie machen fröhlich Hochzeit, und am Abend, als der Tyrann im Bett ist, holt der Tölpel einen Hammer hervor, den er unter dem Kleid versteckt hat, und sagt: «Ich bin der mit dem Schwein!» Und er haut mit dem Hammer auf den Tyrannen los, bis der fast tot ist. Da sagt der Tyrann: «Nimm aus der Truhe dort soviel Geld, wie du willst, doch lass mich bloss am Leben!» Der Tölpel nimmt eine Menge Geld daraus und geht damit nach Hause.
Am andern Morgen verkleidet er sich als Arzt und geht mit einem Stock, der einen goldenen Griff hat, wieder in den Wald. Dort begegnet er zum zweiten Mal dem Diener des Tyrannen. Der Diener meint, er sei ein Arzt und fragt ihn darum: «Wohin geht Ihr, Herr Doktor?» Er gehe da drüben in ein Dorf zu einem Schwerkranken, ist die Antwort. Da sagt der Diener, er solle doch um Himmelswillen zu seinem Herrn kommen, der sei auch schwer krank. Der Arzt geht mit ihm in die Höhle, und am Bett des Tyrannen nimmt er wieder den Hammer aus der Tasche seines Fracks hervor und sagt: «Ich bin der mit dem Schwein!» und fängt an, auf den Tyrannen einzuschlagen. Wieder sagt der Tyrann: «Geh dort hinüber und nimm soviel Geld aus der Truhe, wie du willst, doch lass mich am Leben!» Der Tölpel stopft so viel Geld als möglich in die Hosen- und Fracktaschen und geht nach Hause.
Am andern Morgen verkleidet er sich als Mönch und geht wieder in den Wald. Nach einer Weile begegnet ihm der Diener des Tyrannen, der fragt: «Wohin gehen Sie, Herr Pater?» «Ins Dorf zu einem Kranken», antwortet der Mönch. Der Diener bittet ihn dann, zu seinem Herrn zu kommen, der sei am Sterben.
Als er beim Meister war, zog er den Hammer unter der Kutte hervor und sagte: «Ich bin der mit dem Schwein!» Und er haute schlimmer denn je auf ihn ein. Der Tyrann flehte ihn wiederum an: «Geh dort hinüber und nimm soviel du willst, doch lass mich am Leben!» Aber der Bursche machte dem Tyrannen den Garaus. Dann nahm er das Geld, welches noch in der Truhe war, und ging nach Hause. Von da an war der Dummkopf reich genug.
Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch