Es war einmal in einem Dörflein eine Witwe. Die hatte nur einen Sohn, und der war ein Dummkopf. Sie waren sehr arm, hatten kaum zu essen und zu trinken und nur eine einzige Kuh.
Eines Tages sagte die Mutter zu ihrem Sohn: «Du könntest morgen in die Stadt gehen und die Kuh verkaufen, damit wir Geld haben, um Essen zu kaufen.» Drei Nachbarn hörten das, da beschlossen sie, dem Tölpel die Kuh abzuluchsen. Am andern Tag ging der Bub der Witwe sehr früh mit der Kuh in die Stadt. Nach einer Weile begegnete er einem von diesen Nachbarn, und der fragte ihn, wohin er mit dieser Geiss gehe. Der Bursche antwortete: «Das ist keine Geiss, das ist eine Kuh, und ich gehe in die Stadt, um sie zu verkaufen.» Der Nachbar sagte noch einmal: «Das ist nur eine Geiss.»
Da wurde der Bursche wütend und ging weiter, ohne etwas zu sagen. Bald begegnete er dem zweiten Nachbarn, und der fragte dasselbe: «Wohin gehst du mit dieser Geiss?» Der Bursche schrie ganz wütend: «Das ist keine Geiss, das ist eine Kuh.» Doch der Mann behauptete. «Aber nein du, das ist doch nur eine Geiss, dass du das nicht siehst.» Der Bursche schaute bald die Kuh, bald den Mann an und wusste nicht, was sagen. Er wurde immer wütender und ging weiter.
Wenig später begegnete er dem dritten Nachbarn, und auch der fragte ihn: «Wohin gehst du mit dieser Geiss?» Jetzt spie der Bursche Gift und Galle und zweifelte ein wenig, ob es doch nur eine Geiss sei. Der Nachbar sagte zu ihm: «Ich werde dir deine Geiss abkaufen, wenn du willst.» Der Bursche wurde so wütend, dass er die Kuh, die er jetzt für eine Geiss hielt, gerne dem gab. Der aber bezahlte nur etwa soviel wie für eine Geiss.
Dann kehrte der Tölpel zu seiner Mutter zurück. Die Mutter fragte dann: «Wo hast du die Kuh, hast du sie verkauft?» Der Bursche antwortete: «Ja, ich habe sie verkauft, aber es ist nur eine Geiss gewesen.» Da gab die Mutter zurück: «Was musst du für ein Dummkopf sein, dass dich wieder jemand angeschmiert hat!» Da sagte der Bursche: «O Mutter, lasst mich nur machen. Was die mir eingebrockt haben, das müssen die mir schon noch auslöffeln!»
Er machte eine Kappe aus allerlei Farben, ging in eine Wirtschaft und gab dem Wirt den Auftrag, er solle auf den nächsten Tag für vier Leute ein Mittagessen zubereiten, und er bezahlte den Wirt schon zum voraus.
Am andern Tag ging er zu diesen drei Nachbarn und sagte, er wolle ihnen jetzt auch einen Gefallen tun, weil sie für seine Geiss recht bezahlt hätten, sie sollten heute mit ihm in die und die Wirtschaft zum Mittagessen kommen. Die Männer nahmen seine Einladung gleich an.
In der Wirtschaft assen und tranken sie, was das Zeug hielt. Nach dem Essen stand der Dummkopf auf, nahm seine farbenprächtige Kappe, verbeugte sich vor dem Wirt und sagte: «Herr Wirt, ist die Rechnung bezahlt und beglichen?» Der Wirt antwortete: «Ja!»
Am andern Tag ging der Dummkopf in eine andere Wirtschaft, er bestellte das Mittagessen, bezahlte im voraus und lud wieder die Nachbarn ein. Die kamen auch wieder, und nach dem Essen nahm der Bursche nochmals seine Kappe hervor, machte eine Verbeugung und sagte: «Herr Wirt, ist alles bezahlt und beglichen?» Und der Wirt antwortete: «Jawohl!»
Da die Männer nicht wussten, dass der Bursche das Essen jedesmal im voraus bezahlt hatte, meinten sie, er verdanke es nur seiner Kappe, dass mit einer Verbeugung alles bezahlt sei. Da wollten sie die Kappe haben. Sie fragten den Burschen, ob er ihnen die Kappe nicht überlasse. Der Bursche antwortete, er könne sie nicht hergeben, diese Kappe sei äusserst wertvoll, doch wenn sie sie mit Geld füllten, so wolle er sie geben.
Nach langem Hin und Her wurden die drei Männer sich einig, das Geld zu zahlen. Denn sie meinten, es lohne sich schon, immer kostenlos essen und trinken zu können. Jeder trug seinen Teil dazu bei, bis die Kappe voll war, und sie gaben das Geld dann dem Burschen für die Kappe. Die drei Männer freuten sich, täglich in der Wirtschaft essen und trinken zu können, denn sie hatten die Sache nicht durchschaut.
Sie gingen schon andern Tags in die Wirtschaft, gaben ihre Bestellung auf und kamen dann zu dritt zum Mittagessen. Als sie lange und ausgiebig gegessen hatten, erhob sich der, welcher die Kappe aufgesetzt hatte, nahm sie ab, verbeugte sich vor dem Wirt und sagte: «Herr Wirt, ist die Rechnung bezahlt und beglichen?» Und der Wirt antwortete: «Nein!» und wurde wütend. Da setzte der zweite die Kappe auf und sagte: «Du weisst nicht wie das geht, ich kann es besser.» Jetzt nahm auch er die Kappe ab, machte eine noch viel tiefere Verbeugung und sagte: «Herr Wirt, ist alles bezahlt und beglichen?» Doch der Wirt wurde immer wütender. Dann packte der dritte die Kappe sagte: «Ihr wisst beide nichts, ich weiss, wie es geht!» Er nahm die Kappe ab und verbeugte sich bis zum Boden. Der Wirt tobte vor Wut und brüllte: «Wenn ihr das Mittagessen nicht zahlt, so jage ich euch davon!» Sie bezahlten nicht, und da nahm der Wirt einen Stock und prügelte sie aus dem Haus. Jetzt merkten sie, dass der Tölpel sie angeschmiert hatte.
Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch