Zwei Soldaten, Pieder und Gion, waren aus dem Dienst entlassen worden und machten sich auf den Heimweg. Es ging ihnen gleich wie den meisten Soldaten, die heimkehren: sie hatten weder Geld noch Schuhe.
Eines Tages kamen sie in einen grossen Wald. Als sie ein paar Stunden lang hindurchmarschiert waren, sagte Pieder zu Gion: «Ich habe Hunger und Durst, ich bin müde und schwach und kann nicht mehr gehen. Ich muss mich hinlegen und ein wenig schlafen!» Pieder legte sich hin und schlief sofort tief. Gion setzte sich neben ihn und wachte.
Da sah er auf einmal ein Licht aus dem Mund von Pieder herauskommen; dieses wanderte ein Stück waldeinwärts und liess sich auf einem grossen faulen Baumstrunk nieder. Da packte Gion die Angst, und er weckte Pieder, aber in dem Augenblick, als Pieder aufwachte, kehrte das Licht in seinen Mund zurück. Da sagte Pieder zu Gion: «Oh, du hättest mich schlafen lassen sollen, ich habe so schön geträumt!» «Was hast du denn geträumt?» «Ich habe geträumt» sagte er, «dort drüben in einem Baumstrunk befinde sich ein grosser Schatz, doch ich weiss nicht mehr in welchem.» Doch Gion sagte: «Ich weiss schon in welchem!» Sie gingen zum Baumstrunk, worauf sich das Licht niedergelassen hatte, und gruben rundherum. Da fanden sie einen grossen Schatz, so gross, dass sie ihn kaum heimtragen konnten. Und danach waren beide reiche Männer.
Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch