Einmal ging eine Magd in den Garten, um Kräuter zu holen. Unter den Brennesseln sah sie auf einmal ein schreckliches Ungeheuer von einer Kröte. «Dich möcht ich doch sehen, wenn du ins Wochenbett kommst!» sagte sie zu sich selber, als sie den unheimlich grossen Bauch der Kröte sah.
Nach ein paar Monaten hielt abends spät eine Kutsche vor dem Schloss. Ein vornehmer Herr stieg aus, ging zur Magd hinauf und sagte, sie habe ja zusehen wollen, wenn seine Frau ins Wochenbett komme, jetzt müsse sie mit. Die Magd sagte, sie kenne seine Frau nicht, und sie wollte nicht gehen. «Erinnerst du dich nicht an jene Kröte im Garten und an das, was du gesagt hast?» entgegnete der Herr. Da packte er sie am Arm, zog sie in die Kutsche und jagte im Galopp auf und davon. Jetzt wusste die Magd, dass die Kröte die Frau dieses Herrn war, und als sie dessen Ziegenbeine sah, da merkte sie, dass es der Teufel war.
Als der Teufel mit dem Mädchen in der Hölle ankam, zeigte er ihr das Zimmer, wo seine Frau drin lag.
Sieben Jahre dauerte das Wochenbett, und während dieser Zeit diente das Mädchen der Wöchnerin. Dann bezahlte der Teufel dem Mädchen einen schönen Lohn und sagte, sie könne nach Hause. Sie dürfe jedoch nicht zurückschauen, bis sie zu Hause sei, sonst gehe es ihr schlecht. Als das Mädchen aus der Hölle kam, hörte sie hinter sich ein Miauen, Winseln und Schreien, aber sie schaute nicht zurück.
Im Schloss freute sich ihre Herrschaft sehr, dass sie wieder bei ihnen war, und sie fragten sie, wo sie gewesen sei. Da erzählte sie alles. Da sagte ihr Herr: «O, du Dumme, du hättest vom Teufel eine schriftliche Bestätigung verlangen sollen, dass du jetzt frei bist, sonst kommt er eines schönen Tages wieder und holt dich!» Als die Magd das hörte, fing sie an zu weinen und wollte verzweifeln. Aber der Herr schickte sie zu einem Bischof Und der gab ihr eine Rute und befahl ihr, damit in die Hölle zu gehen. Und sollte dann der Teufel keine schriftliche Bestätigung geben wollen, so müsse sie ihn mit der Rute tüchtig verhauen. In der Hölle unten fragte der Teufel, was sie wolle. «Die schriftliche Bestätigung, dass ich ganz frei von Euch bin!» Aber der Böse wollte damit nicht herausrücken und hatte tausend Ausreden. Doch als das Mädchen anfing, es ihm mit der Rute zu zeigen, da brüllte er wie ein Ochse, und er gab der Magd sofort die schriftliche Bestätigung, dass sie ganz frei von ihm war. Damit ging das Mädchen zufrieden zu seiner Herrschaft zurück.
Thompson Motiv F 372.1 (menschliche Hebamme wird von Feen zur Feengeburt gerufen)
Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch