St. Felix und St. Regula

Land: Schweiz
Region: Zürich Stadt
Kategorie: Sage

In uralten Zeiten lebte am oder vielmehr im Zürichsee ein altes keltisches Volk. Es hatte seine einfachen Hütten auf Bretterböden, die auf Pfählen stunden, ins untiefe Wasser gebaut. Hier fühlten sich die helvetischen Urahnen sicherer vor wilden Tieren und noch wilderen Menschen. Die Pfahlbaububen ließen glatte Kiesel übers Wasser nach den Elchen, Urochsen und Riesenhirschen schiefern und tanzen, wenn diese abends zur Tränke an den See kamen. Die helläugigen helvetischen Mägdlein aber verschüttelten sich schaudernd, dass ihre gewaltigen bronzenen Ohrenringe klingelten, wenn im pfeifenden Nachtwind aus den Wälder herab das Heulen der Wölfe kam.

Endlich aber, als das Urvolk immer bessere Waffen erfand, machte es sich ans Land, um sich an den nach und nach lichter werdenden Ufern anzubauen.

Also siedelte sich ein Volksstamm auch am Ausfluss der Limmat an und gründete mit einem Fischerdorf die Anfänge der heutigen Großstadt Zürich.

Lange Zeiten lebten die Urväter in gutem Frieden als tapfere Jäger und Fischer. Aber als sie sich zur Zeit einer großen Völkerwanderung ebenfalls verlocken ließen, den warmen Winden nachzugehen und mit den andern helvetischen Stämmen ins Römerreich einzubrechen, erging’s ihnen gar übel. Trotz ihrer und ihrer Frauen Heldentum wurden sie von den kriegsgewohnten, besser bewaffneten Römern besiegt und mussten nun wieder in ihre verlassene Bergheimat zurückkehren.

Jetzt wären sie wohl gerne an ihrem schönen blauen See zufrieden gewesen, aber nun waren sie kein freies Volk mehr, denn sie standen unter der Weltherrschaft der Römer, die auf dem Lindenhof zu Turicum, wie die Stadt damals hieß, sogar ein Kastell mit Soldaten hatten.

In dieser Zeit lebte in Zürich, als Vertreter des römischen Kaisers, der Statthalter Decius, der die Apostel der Christen, die allüberall in den helvetischen Landen die Heiden bekehrten, verfolgte, wie er nur konnte.

Da kamen denn einst nach der Stadt an der Limmat die zwei christlichen Geschwister Felix und Regula. Der Anführer der im Wallis stehenden Thebäischen Legion, der heilige Mauritius, hatte sie ausgesandt, das heidnische Volk zu Zürich dem Christentum zu gewinnen.

Mit heiligem Eifer für ihre gottgewollte Sendung gingen sie ans Werk. Als nun der heidnische Statthalter Decius sah, wie sie großen Zulauf hatten, erschrak er. Er ließ sie vor sich kommen und befahl ihnen, ihren Glauben abzuschwören und den römischen Göttern zu opfern.

Aber die beiden Glaubensboten Felix und Regula wiesen dieses Ansinnen mit Entrüstung von sich.

Da ergrimmte Decius und bedrohte sie mit grässlichen Martern und gar mit dem Tode, wenn sie nicht sogleich die römischen Gottheiten Jupiter und Merkur anbeten würden.

Doch sie hörten ihn ruhig an, wandten sich von seinen Götzen ab und bekannten vor allem Volk freudigen Herzens ihren Herrn und Heiland Jesum Christum.

Jetzt ließ sie der Statthalter packen und auf glühende Eisenräder und in heißes Pech werfen. Ja, die rohen Kriegsknechte mussten ihnen sogar siedendes Blei eingießen. Aber wie schrecklich sie auch litten, sie priesen Gott und sahen mit verklärten Augen himmelan. Und als nun der erbarmungslose Decius sah, dass sie ihren Glauben nicht nur unter aller Pein standhaft bekannten, sondern sich ihrer Leiden um Christi Willen gar freuten, gebot er, man solle sie hinrichten.

So führte man sie denn auf die Sandbank in der Limmat, wo heute die Wasserkirche steht, und schlug ihnen, angesichts des ruchlosen Statthalters, die Köpfe ab.

Aber kaum waren sie in den Sand gerollt, hörten die Umstehenden vom Himmel die Stimmen der Heiligen und Engel singen: Ins Paradies sollen euch die Engel einführen und mit Ruhm die Märtyrer auch aufnehmen!

Da geschah zum Entsetzen des ganzen Volkes ein unerhörtes Wunder. Die hingerichteten Heiligen Felix und Regula ergriffen ihre Häupter, die einen Heiligenschein ausstrahlten, und trugen sie von der Limmat weg, den Berg hinauf „wohl vierzig Ellen weit“, wie’s in der alten Legende heißt. Dort aber sanken sie dahin, und ihre Anhänger begruben sie an der gleichen Stelle.

Bald darnach kamen sie in große Verehrung. Das christlich gewordene Volk wallfahrtete zu ihren Gräbern, und es sollen dabei gar viele Blinde und Lahme wunderbar geheilt worden sein.

Jedenfalls hielt die zunehmende Stadt das Andenken ihrer zwei Heiligen und Märtyrer hoch. Man erbaute über ihrem Grab die nun uralte Kirche zum großen Münster, die bis auf den heutigen Tag das Wahrzeichen Zürichs ist. Auf den Herrschaftssiegeln der mächtig aufblühenden nachmaligen alemannisch-helvetischen Stadt Zürich aber blieben die Heiligen Felix und Regula, mit ihren Häuptern unter den Armen, für alle Zeiten eingeprägt.

 

Meinrad Lienert, Zürcher Sagen. Der Jugend erzählt, Zürich 1918.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

 

 

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