Ein Bauer hatte in Kleingurmels ein Fuder Langholz geladen und wollte damit nach Grossvivers fahren. Oberhalb der St. Wendelinskapelle, dort wo der Weg steil abfällt, zog er am Wagen die Bremse. Aber diese schien wenig zu wirken, und das Gefährt geriet in Zug. Da rief der Fuhrmann grob:
„Wendul, sperr! - we du für eppis büscht!“
Augenblicklich stand das Fuder still und war nicht mehr von der Stelle zu bringen. Der Bauer mochte klopfen und holeien, soviel er wollte, es war alles umsonst. Wohl bäumten und streckten sich die Pferde, doch kein Rad bewegte sich. So verging eine geraume Zeit. Der Mann wagte es nicht, das Gefährt zu verlassen und Hilfe zu holen. Endlich nahte ein einsamer Wanderer. Es war der Herr Pfarrer von Gurmeis. Der Fuhrmann klagte ihm seine Not. Da blickte ihm der Pfarrherr tief in die Augen und sprach: „Du musst dich irgendwie verfehlt haben. Hast du etwa geflucht?“ – „Nein, nein“, entgegnete der Gefragte, „diesmal nicht.“ Der Pfarrer forschte weiter: „Dann hast du sicher etwas anderes verbosget. Nur frisch heraus damit.“ Jetzt bekannte der Sünder alles. Der Pfarrer wiegte sein Haupt und sprach: „Sankt Wendelin ist ein grosser Heiliger, den darfst du nicht anschnauzen wie einen Knecht. Er ist aber auch ein gütiger und hilfreicher Heiliger. Komm, wir gehen jetzt in seine Kapelle und beten miteinander ein andächtiges Vaterunser, und dann bittest du ihn noch um Verzeihung für deine Grobheit.“
Als die beiden nach einer Weile die Kapelle verliessen, da hob der Pfarrherr seine Hand empor und liess lächelnd ein kräftiges „Hüü“ erschallen. Die Pferde zogen folgsam die Stränge an, das Fuder setzte sich in Bewegung, fuhr langsam und vorsichtig den Hang hinunter und gelangte glücklich nach Vivers.
Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch