Ein Jüngling liebte eine Maid. Jeden Sonntagabend besuchte er sie. Bald genügte ihm das nicht mehr, und er erlaubte sich, die Woche hindurch dann und wann einen Kiltgang einzuschalten. Das schien ihr aber nicht besonders zu behagen, denn sie sagte jedes Mal: „Am Freitag musst du dann nicht kommen, da habe ich keine Zeit.“ Anfänglich machte er sich nichts aus dieser Rede. Später kam ihm der Verdacht, das Mädchen könnte heimlich noch einen andern heben und diesem den Freitagabend widmen. Eifersucht quälte ihn, und er beschloss, der Sache auf die Spur zu gehen.
Am nächsten Freitag machte er sich im Dunkel der Nacht auf den Weg, um den Nebenbuhler zu ertappen. Hübscheli schlich er sich ans Häuschen heran. In der Küche brannte Licht. Der Fensterladen schloss nicht gut. So konnte er durch eine Spalte alles beobachten, was drinnen vorging. Sein Schätzchen stand im Sonntagsgewand vor dem Spiegel, kämmte sich die Haare, flocht sie zu Zöpfen und band sie mit Seidenbändern. „Aha, die falsche Katze schmückt sich für den andern“, dachte er. „Wenn er kommt, so werfe ich ihn in den Brunnentrog. Dort wird ihm die Hitze schon vergehen.“ Aber es kam anders. Die Geliebte holte jetzt einen Topf herbei, nahm daraus eine Handvoll Fett und salbte damit einen Besenstiel. Sie setzte sich rittlings auf denselben und sprach: „Obenus u niena an.“ Sogleich schwebte sie empor und flog im Hui zum Kamin hinaus.
Eine Weile noch stand der Jüngling verdutzt am Fenster. Dann entschloss er sich, dem Mädchen zu folgen. Er drang in die Küche, ergriff einen Besen, salbte ihn, klemmte ihn zwischen die Beine und sprach die Zauberworte. Da fühlte er sich emporgehoben und zum Kamin hinausgetragen. In sausender Fahrt flog er immer weiter und höher, über Felder und Wälder und Hügel und schlafende Dörfer. Endlich verlangsamte sich der Flug, und als seine Füsse wieder den festen Boden unter sich fühlten, da stand er auf einer Waldwiese, die von einem mächtigen Feuer erhellt war. Hier wimmelte es von Hexen und Hexenmeistern. Die einen wirbelten im Tanze, die andern sassen an reichgedeckten Tischen und assen und tranken. Einige Zeit stand er da, schaute dem ausgelassenen Treiben zu und suchte seine Liebste zu erspähen. Jetzt entdeckte er sie. Sie tanzte ganz übermütig. Ihre Blicke trafen sich. Sogleich liess sie, ihren Tänzer fahren, ergriff auf einem der Tische einen Becher voll Wein, brachte ihn dem Burschen und sprach mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit: „Soso, bist du auch hier? Eh, das freut mich - das freut mich. Trink erst diesen Wein, und dann wollen wir tanzen - tanzen.“ Er nahm den Becher aus ihrer Hand und sagte: „In Gottes Namen - ja.“ Da ertönte ein hundertstimmiger Wutschrei - stockdunkel wurde es, und der ganze Zauber verschwand. Dem Jüngling war, als stürze er aus den Wolken in rasender Schnelligkeit auf die Erde hinunter. Der Atem ging ihm aus, er glaubte ersticken zu müssen, - die Sinne schwanden ihm.
Als er wieder erwachte, schien ihm die Morgensonne ins Gesicht. Er lag in einem Sumpf - viele Stunden von daheim entfernt. Der Schlamm verdeckte ihn fast. Einen halbverfaulten, stinkenden Pferdefuss hielt er noch in der Hand. Das war der Becher, den sein Schatz ihm gereicht hatte.
Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch