Zosso Ludwig wanderte einst in später Abendstunde von Tafers nach Rechthalten. Der Mond leuchtete hell auf seinem Weg. Es mochte gegen Mitternacht sein als er durch Tiletz ging. Da tauchte plötzlich ein schwarzes Pferd auf. Das trottete erst eine Weile vor ihm her, dann sprang es eine Strecke weit in die Wiese hinaus, kehrte um, setzte quer über die Strasse, verschwand in der Ferne und rannte nach kurzer Zeit wieder heran. So galoppierte es eine Zeitlang hin und her, einmal von links, einmal von rechts über die Strasse und jedesmal haarscharf dem Wanderer an der Nase vorbei. Doch einmal blieb es auf dem Wege stehen, als wollte es diesen versperren. Da wurde Zosso unwillig. Er gab ihm mit der flachen Hand einen Tätsch auf das Hintere und rief: „Hüü Flaag!“
Jetzt blies das Ross Feuer aus den Nüstern, und in rasendem Galopp sauste es von dannen, dass die Eisen Funken sprühten, und die Steine flogen. Nach wenigen Augenblicken war nichts mehr von ihm zu sehen und zu hören. Nun kam Zosso der Gedanke, das sei kein richtiges Pferd, sondern der büssende Geist irgendeines groben Fuhrmannes, oder eines andern pferdeschindenden oder tierquälenden Menschen gewesen. Grausen ergriff ihn, und er fing an zu laufen, was hesch was gisch, gegen den Strauss hinauf, dann nach der Wolfeich und von da quer über Matten und Äcker und Hecken und Zäune bis zu seinem Hause im Wallismattli nahe bei Eichholz. Dort stiess er die Türe ein und sank in der Stube endlich atemlos und erschöpft zusammen. Am andern Tage erwachte er mit einem Kopf, der aufgeschwollen war wie ein Mäss. Viele Wochen musste er das Bett hüten. Erst quälte ihn das Fieber, und als dieses endlich nachliess, bedeckte sich sein Leib mit einem bösen Ausschlag.
Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch