Vor dem Schloss Jetschwil hält ein alter Rosskastanienbaum treue Wacht. Wann dieser gepflanzt worden, kann man nicht sagen; es ist, weiss Gott, schon lange, lange her, und denen, die dabei waren, tut längst kein Zahn mehr weh. Aber ein sonderbares Ereignis hat sich damals zugetragen, das bis heute nicht vergessen wurde.
Eines Morgens kam der Gärtner mit dem jungen Baum daher und begann auf dem Schlossplatze ein Loch zu graben. Wie es gewöhnlich so geht, waren bald ein paar müssige Zuschauer daneben und wunderten und fragten warum, wieso und weswegen. Der Gärtner gab flüchtige Antworten und grub eifrig weiter. Plötzlich stiess er auf eine Kohlenschicht. Schaufel um Schaufel warf er von der schwarzen Masse heraus. Es waren harte Holzkohlen. Die Schicht ging mehr als ein Fuss tief. Die Männer staunten und konnten sich nicht erklären, woher diese Kohlen stammten. Einer untersuchte sie und fand, sie seien so hart wie Kreide, man könnte sie zum Schreiben benützen. „Ich will die „Faggetta“ voll mitnehmen,“ sprach er. „Wenn einmal der Schneider auf die Stör kommt, kann er die gäbig brauchen, um die Muster auf den Stoff zu zeichnen.“ Die andern lachten ihn aus: „Du kannst doch alles verwenden. Und kämen alte Glasscherben oder Kachelstücke zum Vorschein, du würdest sie mitnehmen, um damit Rüben zu schaben.“ Er kümmerte sich nicht um ihren Spott, füllte gleich beide Kitteltaschen mit Kohlen und trug sie nach Hause. Dort versorgte er sie in eine Schachtel und stellte diese auf den „Bouch“.
Wochen und Monate vergingen. Dann kam der Schneider auf die Stör - und richtig - er fragte gleich nach einem Stück Kreide. Jetzt erinnerte sich der Bauer jener Kohlen. Er holte die Schachtel von der Bank herunter. Sie dünkte ihn sehr schwer. Er hob den Deckel ab und stiess einen Freudenschrei aus. Die Schachtel war gefüllt mit funkelnden Goldstücken.
Noch am selben Tage eilte er nach Jetschwil und erzählte dem Schlossgärtner den sonderbaren Vorfall. Die beiden gruben sogleich den jungen Kastanienbaum wieder aus und durchsuchten die Erde im ganzen Umkreis.
Doch fanden sie weder Kohlen noch Gold. Die Enttäuschten pflanzten den Baum wieder an seinen Platz. Im aufgelockerten Erdreich wuchs er freudig empor und wurde zum mächtigen Baume, den wir heute noch bewundern.
Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch