Der Bauer von Tscherlu war einst mit seinen Leuten im Schwand droben mit Heuen beschäftigt. Da sahen sie unter einer alten Wettertanne zwei Zwerglein, welche lustige Purzelbäume schlugen. „Die wollen wir fangen“, sagte der Bauer, und sogleich jagte das Gesinde den beiden kleinen Leutchen nach. Das eine wurde gefangen genommen, das andere konnte entfliehen. Als letzteres ausser Gefahr war, kehrte es sich um und rief seinem armen, gefangenen Brüderchen zu: „Sage den Menschen dann nie, für was der Nesselsamen und die Bockwurzeln (Bibernelle) gut sind!“ – „Nie! Nie!“ gab dieses zurück; dann führte es der Bauer mit sich heim und schloss es in eine Kammer ein. Dort sass es einige Tage lang zusammengekauert in einer Ecke wie ein gefangenes Mäuschen. Nach und nach gewöhnte es sich aber an die Menschen. Von nah und fern kamen Leute, um das kleine Geschöpf zu schauen. Das Zwerglein schnitt ihnen lustige Grimassen und ergötzte die wunderigen Menschen mit allerlei Kunststücken.
Einmal behauptete es, es könne noch ein ganz reizendes Tänzchen. Man solle einen Knäuel Faden nehmen, das äussere Ende desselben am Türpfosten befestigen und dann den Knäuel über den Boden fortwerfen. Alsdann wolle es so rasch über den Faden tanzen, wie dieser sich abwickle. Das hätten die neugierigen Leute gar gerne gesehen. Sie holten schnell ein „Chluntscheli“ Faden und taten so, wie das Zwerglein gesagt hatte. Der Knäuel rollte über den Hausplatz, und das kleine Männlein wirbelte hinter demselben her immer weiter, immer weiter. Der Knäuel stand still, aber das Zwerglein tanzte immer weiter vom Hause weg. Plötzlich kehrte es sich um, drehte ganz unverschämt den überlisteten Zuschauern eine lange Nase und huschte durch Hecken und Zäune über die Matten davon dem Burgerwalde zu.
Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch