Im Burgerwald hauste vor alten Zeiten das niedliche Volk der Zwerge. In Felsklüften, unter den Wurzeln der riesigen Waldbäume und zwischen den Steinblöcken hatten sie ihre Wohnungen. Vor unbekannten Menschen flüchteten sie sich oder machten sich unsichtbar. Dem Hirten und dem Holzhauer nahten sie sich ohne Scheu und ergötzten ihn während der Arbeit durch drollige Spässe und Spiele. Guten Menschen halfen sie, wo sie konnten. Wer sie aber erzürnte, der konnte auf die Rache der kleinen Leutchen zählen.
Im Schwand war Heuet. Wohl ein Dutzend Fuder „klingeldürres“, duftendes Heu lag auf der Bergmatte ausgebreitet und wartete auf die fleissigen Hände, die es unter Dach bringen sollten. Aber es waren nur wenige Arbeiter zur Stelle. Zudem nahte noch ein Gewitter. Der Meister war halb verzweifelt. „Wenn doch in Gottes Namen ein paar Dutzend Leute kämen, um uns zu helfen“, rief er aus. Siehe, da fing es an zu rascheln im Erlengebüsch. Die Zweige knackten, und von allen Seiten strömten Zwerglein herbei, Männlein und Weiblein, viel Hundert an der Zahl. Lautlos machten sie sich an die Arbeit. Jedes nahm einen Büschel Heu, trug ihn eiligst nach der Hütte und holte schon wieder die zweite Bürde. Das wimmelte und krabbelte ums Haus wie ein aufgerührter Ameisenhaufen. Als die ersten grossen Regentropfen auf das Schindeldach der Berghütte trommelten, da war die Matte abgeräumt und kein Hälmlein mehr draussen. Der Bauer wollte den Zwergen für ihre Hilfe danken, aber diese waren verschwunden. Von der Höhe des Waldes tönte noch ein hundertstimmiger, übermütiger Jauchzer hernieder.
Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch