Eines Tages marschierte ein armer Soldat auf einer Strasse mit seinem Tornister auf dem Rücken. Er hatte nur zweimal drei Kreuzer im Sack, drei für das Brot und drei für den Schnaps. Unterwegs begegnete er einem ganz armen alten Mann, der um ein Almosen bettelte. Unser Soldat gab ihm drei Kreuzer. Nicht viel später begegnete er einem noch viel ärmeren Mann, der bettelte so jämmerlich, dass der Soldat, der ein goldenes Herz hatte, ihm die für den Schnaps vorgesehenen drei Kreuzer gab. Der Soldat wollte davongehen, da sagte der Arme: «Wart ein bisschen! Der erste Arme ist der heilige Petrus gewesen, und ich bin der Herrgott!» Ganz verdattert stand der Soldat da. «Fordere jetzt von mir, was du willst. Ich will es dir geben!», sagte der Herrgott weiter. «Es soll gelten!» meinte der Soldat darauf und verlangte, dass jeder, wenn er es wolle, in seinen Tornister müsse.
Lachend ging der Soldat weiter, und spät am Abend kam er zu einem alten Schloss, so alt wie Brot und Brei. Und er fand ein Zimmer, wo wie für einen König gedeckt war. Er trank gut und ass gut, dann legte er sich ins Bett. Um Mitternacht zog jemand an seiner Decke, bis er wach war, und der Soldat sagte: «Ab in meinen Tornister!»
Am andern Morgen war sein Tornister aufgetrieben wie ein Pfannkuchen. Er nahm ihn trotzdem auf den Rücken und marschierte zur Schmiede drunten am Hügel. Er erzählte dem Schmied, wo er die letzte Nacht geschlafen habe, und der konnte es kaum glauben. «Alle, die hier übernachtet haben, hat nämlich der böse Geist erwürgt», sagte der Schmied. Erst jetzt erinnerte sich der Soldat an den Tornister und hiess den Schmied, er solle mit dem grossen Hammer draufhauen, bis der Tornister so flach sei wie eine Maus. Das machte der Schmied gern, und er schlug auf den Tornister ein, dass es dröhnte. Als der Soldat und der Schmied dann den Tornister öffneten, flog ein Teufel heraus. Er hinkte und war ganz mitgenommen, und er machte sich aus dem Staub.
Nach vielen Tagen und Jahren und manch bösem Streich starb der Soldat. Aber der heilige Petrus meinte, als er vor das Himmelstor kam, er habe zu grosse und schwere Sünden begangen, um in den Himmel zu kommen.
Der Soldat kehrte um und stieg zur Hölle hinunter. Aber kaum hatte der hinkende Teufel, der an diesem Tag Wache hielt, ihn gesehen, schrie er: «Macht die Tore zu und lasst diesen Kerl ja nicht herein! Er wird uns alle zu Brei schlagen!»
Der Soldat musste zum Himmelstor zurück. «Dort unten wollen sie mich nicht; lass mich wenigstens meinen Tornister in den Himmel werfen!» Dies erlaubte der heilige Petrus, und der Soldat sagte sogleich: «War ich doch in meinen Tornister!» Augenblicklich war er im Himmel, nämlich in seinem Tornister. Schnell kroch er heraus und spazierte von nun an im Himmel herum wie ein grosser Heiliger.
Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch