Es war einmal ein König, der hatte eine so griesgrämige Tochter, dass sie nie lachte. Er liess in der Zeitung ausschreiben, wer seine Tochter zum Lachen bringe, dürfe sie heiraten. Da bat ein Sohn armer Leute seinen Vater so lange um Reisegeld, bis er es ihm schliesslich gab.
Unterwegs begegnet er einer alten Frau. Die fragt ihn, wohin er gehe. Er sagt, er gehe zur Königstochter, er wolle versuchen, sie zum Lachen zu bringen. «Da du so offen zu mir gewesen bist, will ich dir einen Rat geben!» sagt die Alte. «Wenn du noch ein Stück weitergehst, so wird ein schöner Vogel auf deine linke Schulter fliegen. Gib den ja nicht weg! Der wird dir helfen!» «Ach Quatsch, diese alten Weiber muss man schwatzen lassen, sie haben immer das Maul auf», denkt der Bursche und geht weiter. Richtig, als er ein bisschen weiter ist, fliegt ein riesiger schöner Vogel auf seine linke Schulter. Er geht mit ihm in eine Wirtschaft. Dort sind einige Gäste, und die wollen ihm den Vogel abkaufen. Einer bietet dafür hundert, ein anderer zweihundert und ein dritter sogar dreihundert Franken. Aber er gibt den Vogel nicht her. Da zwinkert der Wirt seinen Gästen zu und sagt leise: «Oh, ihr Dummköpfe, wenn er den Vogel für dieses Geld nicht geben will, so stehle ich ihn heute Nacht und gebe ihn euch morgen.»
Der Bursche ist ins Bett und nimmt den Vogel zu sich. Um Mitternacht kommt der Wirt in den Unterhosen ins Zimmer, steigt auf eine Truhe und hascht nach dem Vogel. Doch jetzt bleibt er am Vogel hängen.
Nach einer Weile kommt die Wirtin im Hemd ins Zimmer, um nachzusehen, ob ihrem Mann etwas passiert sei. Sie will den Mann vom Vogel wegziehen, bleibt aber an ihm hängen.
Da niemand kommt, geht auch die Magd, nur im Hemd, ins Zimmer. Aber als sie die Meisterin wegziehen will, bleibt sie an ihr hängen.
Am andern Morgen ist der Bursche früh auf, nimmt seinen Vogel, und was daran hängt, und geht durchs Dorf. Der Pfarrer steht gerade am offenen Fenster. Als er den Zug sieht, fängt er an über den unerhörten Auftritt zu wettern. Er geht hinaus und will der Magd eine kleben, aber er kann seine Hand nicht mehr wegziehen und muss selber mit. Sie kommen an einem Backhaus vorbei, dort nimmt die Bäckerin das Brot heraus. Sie will den Pfarrer wegziehen und bleibt an ihm hängen.
So langten sie beim König an. Der führte sie ins Zimmer seiner Tochter. Als die Prinzessin den Zug sah, da musste sie schrecklich lachen, und dann wurde sie die Frau des Burschen. Der Zug konnte dann wieder an seinen alten Ort zurück.
Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch