Im bündnerischen Prättigäu nennt man die Bergmännchen Geissler, Gaisser, Küher, Wilde Leute und Waldfänken; im romanischredenden Münsterthale heisst man sie Dialen und denkt sich darunter kleine Männchen, welche scharlachrothe Kleidlein, mit Gold und Spitzen geschmückt, tragen und sie an die Sonne und frische Luft zu hängen pflegen. Diesen Reichthum der Dialen erklärt man sich aus den mancherlei Schmelzöfen und Grubenwerken der Gegend, die jetzt verlassen stehen, ehemals aber auf Gold und Silber gebaut wurden. So nennt man im Münsterthale einen Ofenberg, wo Zwerge wohnen, und zeigt in der Nähe der Cierfer-Alp die Dialenlöcher, las foras dal las Dialas. Von ihrer Gesinnung gegen die Menschen wird nur Gutes gemeldet, und ergötzlich ist die Meinung, dass sie die Gamsthiere melken und Käse zu machen wissen, welche so lange wieder wachsen und ganz werden, als man sie nicht auf den letzten Bissen aufisst.
Ein fünfjähriges Kind war, während seine Eltern droben in den Bergmatten Heu machten, den Erdbeeren nachgegangen und war des Abends nicht mehr aufzufinden. Erst am andern Abend kam es ins Thal heim und erzählte den Seinigen wohlgemuth: Ein Kind in wundersamen Kleidern setzte sich zu mir aufs Moos und gab mir gute Sachen zu essen. Plötzlich war es dann wieder verschwunden. Ich wartete die Nacht und den ganzen folgenden Tag auf seine Wiederkehr, und so lange es auch gieng, so empfand ich doch weder Hunger noch Durst. Als es im Walde zum zweitenmal dunkel zu werden anfieng, kam das Wunderkind wieder, speiste mich, nahm mich bei der Hand und führte mich vorsichtig herunter vom Gebirge zwischen Stock und Stein bis auf die ersten Matten, wo man die Kirche des Dorfes wieder sieht. Es mahnte mich hier, hübsch heim zu gehen, und war nun zum zweitenmale verschwunden.
Auch Bäcker sind die Dialen und helfen den armen Leuten mit Brod aus. Die Münsterthaler-Hausfrauen kaufen Etschroggen und wissen daraus ein sehr schmackhaftes Brod zu machen; allein man backt in jener Gegend höchstens alle Monat nur einmal, und das neubackene Brod mit seinem angenehmen Dufte ist daher ein bekannter Gegenstand der Frauengelüste. Nun gieng ein armes Weib, das noch dazu schwanger war, hungrig und müde durch den Wald zwischen Fuldera und Valcava. Erschöpft liess sie sich auf einen Fels nieder. Plötzlich stieg ihr ein prächtiger Backgeruch in die Nase, aber unmöglich konnte er von Etschroggenbrod herrühren, denn es roch allzulieblich, und weit und breit war hier rings keine menschliche Wohnung zu vermuthen. Das arme Weib, das jenes Tages gewiss weder Alt- noch Neubackenes gekostet hatte, dachte, wie köstlich solch ein Brod erst schmecken müsste, dessen Duft schon so lockend roch; und da sie sich drüber wieder vom Steine erhob, siehe, da lag neben ihr der schönste Roggenkuchen und dampfte noch.
G. Leonhardi, Rhätische Sitten und Gebräuche. St. Gallen 1844 S. 40. Auszug.
Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 317
Zwergensagen aus anderen Schweizerkantonen
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch