Wer sich dem lieblichen Orte Spiez von der Seeseite her nähert, wird aus der vorderen, unmittelbar aus dem Wasser aufragenden Mauer des Pfarrhauses den Schnabel eines Schiffes hervorstehen sehen. Vor vielen Jahren konnte man an einem gewissen Tage diesen Schiffsteil mit den schönsten Rosen des Geländes bekränzt sehen. In alten Zeiten soll ein junger Pfarrherr in dies, sein trauliches Heim am See, das mit seiner Blumenzier von jeher ein Gegenstand der Bewunderung gewesen ist, sein junges Frauchen heimgeführt haben. Purpurn neigte sich, als die Glücklichen von der Hochzeit weg in der Pfarrei einzogen, die Sonne dem merkwürdigen Zahne des Stockhorns zu, wo sie bald versinken musste. Der See zu den Füssen lag wie ein feuriger Glutstrom da. "Komm Lieb", sagte der Pfarrherr, "ich will dir dies Land, welches der Chronist "Im Paradiese" nennt, im schönsten Lichte zeigen." So nahm er ein Schifflein und fuhr mit der jungen Frau auf den See hinaus, wo sie den Glutball |langsam versinken sahen. Wie ein mächtiger Zauber kam es über sie. Sie konnten sich nicht satt sehen und merkten nicht wie von jenseits des Sees ein Sturm heraufkam, der plötzlich die Wasser wild aufpeitschte und das Schifflein des Pfarrherrn hin- und herstiess. Zuletzt schlug eine grosse Welle in dasselbe und riss es in die Tiefe. Die jungen Eheleute mussten elend ertrinken, ohne dass ihre Leichen je hätten geborgen werden können Den Schnabel des Unglücksschiffleins dagegen band man mit Ketten an das Gebälk der Pfarrhauslaube an, wo treue Liebe den in den Fluten Begrabenen noch lange Jahre hernach Blumen darbrachte.
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.