Die ersten Christen, die sich an der Kien und Kander angesiedelt hatten, wünschten ein Gotteshaus zu bauen. Es waren dazu die Gornerweiden im angrenzenden Kiental am Fusse der Blümlisalp als Stätte gewählt. Schon hob das Mauerwerk sich aus dem Boden, da machten sich feindliche Mächte bemerkbar. Was die wackern Männer am Tage aufgerichtet, das zerstörte in der Nacht der Böse. Es half kein Beten und kein Kämpfen. So riet man hin und riet man her und konnte keinen Ausweg finden. Endlich aber kamen die Bauleute überein, ein Joch Ochsen frei gehen zu lassen. Wo sie sich nieder liessen, da sollte die Kirche stehen. Die Ochsen liefen das Tal hinaus und im Erlengebüsch am Reichenbach blieben sie stille stehen. Die Leute frohlockten und priesen das Wunder. Das Kirchlein ward dahin gebaut, wo es am allerwenigsten stehen sollte, in einer Vertiefung, neben und über ihr die Landstrasse mit ihrem Lärm, neben und ebenfalls höher gelegen der Reichenbach mit seinem Rauschen. Oft hat er sie und die ringsum in stillen Gräbern schlafen, zu einem guten Teile eingedeckt. Bald kam die Torheit zutage. Kaum ein halbes Jahrhundert später kam eine Schuttlawine zu Tal und grub den unteren Teil des Gotteshauses ein. Allein die Leute wussten sich zu helfen, sie hoben jedesmal das Dach der Kirche und was an Mauer unter dem Geschiebe zugedeckt, das mauerten sie oben wieder auf. Der Turm aber blieb und ist darum so niedrig, dass ehemals der alte Postillon mit seiner Geissel beinahe die Zeiger der Uhr nach der richtigen Zeit stellen konnte.
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.