Herr Arnold von Strättlingen, der wohl bedachte wie der Erzengel Michael ihm und den Seinen je und je geholfen, nahm sich vor, dem Heiligen eine eigene Kirche zu bauen. Er holte dazu den Rat weiser Leute. Und sie wählten eine Matte am Wendelsee, genannt unter der Ziel. Viele Werkleute gruben dort einen ganzen Tag das Fundament für den heiligen Bau. Als sie aber am folgenden Morgen wieder an die Baustatt kamen, fanden sie, dass das, was am Tag zuvor war ausgeworfen worden, wieder glatt und eben war, als ob keine Hand dabei tätig gewesen. Da erschien ihnen, als sie darüber rastlos standen, der heilige Michael und zeigte ihnen einen Platz und Garten da die Kirche gebaut werden sollte. Man nannte denselben zum Paradiese. In dem Garten war ein Brunnen, den zeigte ihnen Sankt Michael und sprach: "Ich will das Wasser bewegen wie es vor alten Zeiten von den Engeln geschehen ist. Hier soll man finden Gesundheit des Leibes und der Seele."
Darauf verschwand der Heilige. Wer sich von dieser Zeit an in dem Quell, der Juckibrünnlein genannt wird, badete, wurde von allen leiblichen Gebrästen geheilt. Noch unsere Grossväter haben sich in ihren Kleidern in diese heilige Flut gesetzt, um das Wunder an sich wirken zu lassen. Seit aber Menschenhand im Jahr 1714 den Kanderlauf in den Thunersee gerichtet hat, ist dieser Brunnen versiegt. Herr Arnold von Strättlingen aber ging hin und erkaufte das Land im Paradies von einer ehrbaren Matrone mit Namen Margret Vischerin um vierzig Pfund Pfennige. Darnach schickte er Boten ins Land, um beizuschaffen, was nötig war um die Kirche zu bauen. Er liess auch eine Glocke in den Turm setzen, Altäre errichten, einen dem Sankt Michael, und den andern der Jungfrau Maria. Hernach, als die Werkleute Türen und First aufgerichtet, sandte er abermals Boten aus nämlich zum Bischof von Lausanne, ihn zu bitten, der Kirche Weihe zu vollziehen.
Und als dieser kam, ward er gar herrlich empfangen. Bald begann er andächtiglich die Weihe der Altäre, des Kirchhofs und des heiligen Brunnens. Da erschien ihnen der heilige Michael zum andern Mal und segnete sie, und es hörte das Volk einen Lobgesang der nie zuvor war gehört worden. Darauf zogen alle Anwesenden in Prozession zu der Burg Strättlingen und holten das Heiligtum und brachten dasselbe zu der Kirche. Da versiegelte der Bischof alle die Freiheiten der Kirche mit eigenem Insiegel, gab dem vielgenannten Herrn Arnold seinen Segen, nahm Urlaub und schied von dannen.
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.