Einst hauste im Kientale ein Bär, welcher unter den Herden grossen Schaden anrichtete. Da stieg ein beherzter Mann namens Peter Zahler mit einer alten Hellebarde das Tal hinauf, um dem Untier auf den Leib zu rücken. Wütend kam ihm der Bär von einer Anhöhe entgegen. Zahler stellte sich gegen eine Tanne und streckte dem Bären seine Waffe entgegen. Dieser aber rannte mit solch heftigem Anprall in diese hinein, dass durch die Wucht des Stosses der Schaft auch des Mannes Leib durchbohrte. Tot fielen beide Kämpfer darnieder. An der Stelle der Tat war noch lange hernach eine Tafel zu sehen, die den Mut Zahler pries. Noch heute wird der Bergweg, an welchem sich das Unglück ereignete, "Bärenpfad" genannt.
Ein Senne kam einst über den Bärenpfad zu Tal. Unterwegs tauchte plötzlich ein Bär vor ihm auf. Ein Ausweichen gab es nicht, der Pfad war schmal, der Abgrund tief; der Senne aber, rasch bereit, umfasst mit starkem Arm das Ungeheuer, als gelte es einen Wettkampf; und weil es immerhin noch angenehmer sein muss, plötzlich zu sterben als langsam aufgefressen zu werden, so drängt der Senne nach dem Abgrund hin, bis Mensch und Tier in schwerem Fall hinunterstürzen. Der Bär, infolge seiner grossen Schwere, schlägt zuerst am Boden auf, der Senne aber kommt auf ihn zu liegen und wird gerettet. Dieses Ereignis soll dem Bergsteig vom Tschingelgrund nach Gorneren den Namen gegeben haben. Der Bärentritt, ein schmaler Übergang auf Dündenalp, lässt ebenfalls auf die Ansiedlung des Berner Wappentiers in diesem Tale schliessen.
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.