Der Schöpfer hatte einen seiner Engel ausgeschickt, um die junge Erde mit allerlei Zierden zu schmücken. Hier hatte dieser verheissungsvolle Saaten ausgestreut, dort herrliche Blumen gepflanzt, ein Tal erhielt lauschiges Buschwerk, ein anderes stattliche Baumreihen. Die Hügel aber wurden insgemein mit dunklem Wald ausgestattet. Als nun aber der dienstbare Geist des Herrn den Lauf der Aare heraufkam, und in der Ebene unter den höchsten Gebirgen von seinem Werke ausruhte, wurde er gewahr, dass ihm für diese Gegend nichts mehr übrig geblieben war. Darüber ward er sehr betrübt und beeilte sich nun, nachzusehen, ob allen Ernstes nichts mehr vorhanden sei. Sorglich suchte er in allen Falten und schüttelte die letzten Reste zusammen. Und siehe da, es ergaben sich noch mehrere Hände voll, und verwunderlich genug, was geblieben, war vom Allerschönsten das ihm zu Gebote gestanden hatte. "Du sollst nicht hintangesetzt werden", sprach jetzt der Engel, indem er seine Himmelsgaben über Flur und Hügel ausstreute. "Eine wunderbare Blumenpracht sollen deine Weiden hervorbringen, Wald werden deine Talseiten vom Schönsten tragen und um die Häupter der Berge will ich einen silbernen Schmuck legen wie ihn die Ebene nirgends aufzuweisen hat. Die Menschen sollen kommen und Deine Schönheit bewundern."
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch