Zur Zeit als die Grafschaft Baden noch dreiörtlich regiert wurde (von den drei Orten Bern, Zürich und Glarus), lebte im Dörflein Mellikon, das im Zurzacher-Bezirk nah am Rhein liegt, ein Junker aus dem Urnerlande. Die schönsten Matten und fruchtbarsten Äcker waren sein, ein hübsches Herrenhaus mit einer Kapelle daneben war sein Sommersitz. Weil er aber keinem Menschen aus dem Badener- und Aargauerlande genug traute, so hatte er einen Urner zum Verwalter seiner Höfe gemacht, und dieser erwarb sich dermassen seine Zufriedenheit, dass der Junker gar oft zum Schwarzheinrichbauer sagte, seit er diesen Aufseher habe, regne ihm das Geld in die Kisten zum Dach herein.
Nach und nach lernte dieser Schaffner die lustigen Brüder in Mellikon und Reckingen kennen und zahlte ihnen die Zeche, so oft er mit ihnen trank und spielte; aber um den Grosshans fortspielen zu können, musste er endlich den Junker bestehlen. So gab er dem Obermüller von Reckingen manches Viertel Korn um einen Spottpreis. Beide hatten in einer Winternacht wieder einmal einen Schlitten mit gestohlenem Korn geladen und eben wollte der Verwalter noch den letzten Sack hinter das Haus hinab tragen, da stürzte er so unglücklich die Stiege mit hinunter, dass er auf der Stelle tot blieb. Der Müller liess den Schelm liegen und sprengte mit seiner wohlfeilen Ladung heim. Am andern Morgen fand ein Schuhmacher von Rümikon den toten Mann unter seiner Last. Aber zu gleicher Zeit hörte man nun droben auf dem Kornboden ein Seufzen und Poltern, dass niemand mehr hinauf zu steigen wagte.
Der Junker wendete sich nun, um des Unholdes los zu werden, an einen Kapuziner im Kloster zu Baden, und dieser bannte ihn glücklich in eine Felshöhle in der Neuburgerhalde. Da zeigt er sich noch von Zeit zu Zeit unter einem Loche des Felsens und verspottet die Leute, die zu ihm hinauf blicken. Das Volk kennt ihn schlechtweg als das Herdmännli.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch