In Bettelried im Simmental war einst eine Stampfe wohin die Leute kamen um ihre Gerste zu Grütze stampfen zu lassen. In diesem Haus erschien nun eines Tages ein Zwerg und bat den Meister, ihn seinen Vorrat für den Winter einstampfen zu lassen. Da er sehr ärmlich gekleidet war, hatte die Hausfrau Mitleid mit dem Männlein und schlug ihrem Manne vor, demselben ein Wams aus ungebleichtem Zwillich zu machen. Des war der Mann gerne einverstanden. Als nun der Zwerg das nächste Mal wieder erschien, machte ihm die gutherzige Stampfmüllerin das Kleid zum Geschenk. Freudig nahm das Männlein dasselbe entgegen und zog es hurtig an. Dann beguckte es sich von oben bis unten und war der Freuden voll, dankte schön und ging mit seiner Gerste von dannen. Von der Stunde an ruhte ein besonderer Segen auf der Stampfmühle. Weder Kuh, noch Schaf, noch Geiss verirrten ihnen hinfort mehr.
Ein anderer Mann im Simmental besass ebenfalls eine Stampfe, die er, da sie nichts mehr eintrug, abgehen lassen wollte, zumal ihm das Putzen wegen der vielen Scherereien entleidet war. Als er eines Tages heimkam, da war aller Vorrat schon gestampft und auch alles im Werk gleich gefegt dazu. Dies wiederholte sich nun verschiedene Male, ohne dass der Stampfmüller eine Spur des gutmütigen Täters hätte finden können. Die Neugierde plagte ihn lange darüber. Am nächsten Samstag kroch er daher in den Estrich über der Stampfe und guckte durch eine Ritze hinab. Es ging nicht lange, so hob sich plötzlich ein Laden des Fussbodens drunten. Ein Spitzkopf guckte wie eine Maus herauf, nieste, dann kam’s völlig herauf - ein drei Fuss hohes Männchen. Erst tänzelte es herum, dann machte es sich hurtig an die Arbeit, die rasch vonstatten ging. Nachher fegte es die Stampfe, ölte die Räder und stellte das Wasser wieder ab. Sich von oben bis unten beguckend, wie zerlumpt es aussah, jammerte es recht erbärmlich über seinen Zustand, ehe es verschwand. Der Müller bestellte dankbar Kleidchen, Schuhe und ein Filzhütchen und legte alles bereit. Nächsten Sonnabend gewahrte Fegmännchen die Bescherung, tat einen Freudensprung, kleidete sich an, trippelte herum und verschwand mit dem Spruche:
"lg nit meh stampfe mah,
lg schön Chleideli ha.
Ig jitz tanze gah."
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.