Oben in den Flühen ist die Zwergmutter in Kindesnöten. Flugs eilt der Zwerg ins Tal, die Amme zu rufen. Willig geht diese ihm nach, achtet des weiten Weges und der bösen Steine nicht, die drauf liegen. Oben in der Felsenstube legt sie dem Zwergweiblein ein feines Zwergenkindlein in die Wiege. "Ich will dir’s lohnen", sagt der Zwerg, nimmt einen Haufen Kohlen vom Herde und schüttet dieselben der Talfrau in die Schürze. Mit einem Vergeltsgott geht diese von dannen, gibt aber auf die Kohlen, deren sie daheim doch genug hat, wenig acht. Sie lässt auch ab und zu davon auf den Boden fallen, ohne sich darnach zu bücken. Warnend ruft der wohlmeinende Geber ihr nach:
"Je mehr du zatt’st
Je minder du hast!"
Die Warnung wird trotzdem wenig beachtet. Zu Hause angekommen, wirft die Talfrau mürrisch und verdriesslich die Kohlen auf den Tisch: "Da seht meinen Lohn!" Wie reisst sie dabei aber die Augen auf, als es auf dem Tische schimmert und flimmert! Die schwarzen Kohlen sind lauter glänzende Goldstücke geworden. Jetzt wird ihr die Warnung verständlich. Rasch läuft sie zurück, zu sammeln, was zuvor so geringschätzig verzattet war. Aber es fanden sich keine Kohlen mehr.
Ähnliches geschah einst auch einer Frau von Meiringen. Sie ging im Schlosswald an der Burg Resti vorbei. Auf dem Rücken trug sie einen Sack Erbsen. Da kam der Vater der Zwergenfamilie Gutsin des Weges daher. Der rief der Frau, als er wahrnahm dass ihr Sack ein kleines Loch hatte, durch welches die Erbsen zu Boden rannen:
"Je mehr du zatterst
Je minder du hast!"
Sie aber verstand seine Redeweise nicht und ging achtlos fürbass. Als sie jedoch heimkam, merkte sie, was das alte Väterchen gewollt. Der Sack aber war leer und die Erbsen zum grössten Teil verloren. Was aber noch im Sack verblieben war, das hatte sich zu Goldkörnern verwandelt. Da lief sie schnell hinaus auf den Weg um das achtlos Zerstreute wiederzufinden Ihre Mühe aber war fruchtlos, denn nicht eine einzige Erbse fand sich mehr.
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.