Auf der Waldhöhe der Hard zwischen Siffelen und Laufenburg am Rheine kommt man an einer hohen Halde vorbei, die Auf dem Kinz heißt. Oben wird sie klüftig und hat mancherlei Erdlöcher von verrufener Tiefe; namentlich zwei bis drei solcher kennt man jetzt noch als besonders gefährliche und hat es ungerne, dass ein mit dem Berge nicht wohl Vertrauter nach ihnen suche; denn sie sind stark mit Gesträuch umwachsen und man könnte unversehens hinab stürzen. Das sind lauter Erdmännchenlöcher. Sie führen jäh in Abgründe; drunten aber beginnt eine Höhle, die mit vielen Verzweigungen von grosser Weite unter dem Rheine hindurch geht und erst auf dem drüben im Badischen liegenden Egghaldenberge wieder mündet.
Dorten in der sogen. Halde, einer steilen Anhöhe beim Dorfe Wallbach am Rheine, liegt die Erdmännlisstube, und als man daselbst neulich Georg Büttners Keller grub, traf man in der Tiefe unvermuthet auf einen hübschen Backsteinboden. Wenn daher die Wallbacherkinder nicht aufs Wort folgen wollen, so droht man ihnen heute noch: „Wart, die Erdmännchen holen dich in ihre Stube hinauf!“
Früher nun waren die Erdmännchen auf der Kinzhalde beinahe der tägliche Besuch im Dorfe Eiken, sie halfen jeder Magd grasen, jedem Knechte reuten. Später aber sind sie ganz für sich geblieben. Daran soll der Kinzhalden-Joggeli schuld gewesen sein, der jetzt in diesem Hardwalde haust, sich mit ungeheurer Schnelligkeit von einem Orte zum andern bewegen kann und bald als grüner Jäger, mit einem Dreiröhrenhut auf dem Kopfe, die Leute erschreckt, bald gar als ledig umher laufendes Ross sie in die Jrre führt. Die einen sagen, er sei ein reicher Bauer von Kaisten gewesen, der seinen Nachbarn Alles abstahl und abzwängte, und nun müsse er in seinem alten Hause noch immer das gestohlene Korn hüten. Andere aber erzählen einlässlicher, er habe Winter geheissen und ein gleichnamiger Ortspfarrer von Kaisten, der in diesen Zwanziger-Jahren starb, sei sein Enkel gewesen.
Am meisten ist er den Fuhrleuten aufsässig und kann das Kutschieren durchaus nicht leiden. Schon zu den Franzosenzeiten (1798) war dies so seine Art. Ein Frickthaler-Knecht hatte damals wohl mehr als fünfzig Malter Korn schon durch den Hardwald gefahren, und mochte er nun auf jede Seite des Wagens gehen und unten in der Schleife den schärfsten Hund mit sich führen, allemal zog ihm hier der Joggeli den Long (Achsennagel, Lünse) aus den Rädern, und der Wagen warf um.
Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 291
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch