In jenen langen Hungerjahren des Schwedenkrieges litt das aargauische Rheingelände unsäglich; die Stadt Rheinfelden war dreimal erstürmt, das Clarissenstift Olsberg im Frickthal zum drittenmal zerstört. Da sass ein Köhler verzweifelnd im Walde vor seinem Meiler und hielt Rat, wohin er entlaufen solle. Das Dörflein Magden drunten ist schon verbrannt, wozu da noch Kohlen brennen! sagte er; so wenig der Steinhügel da zu Gold wird, so wenig wird mich meine saure Arbeit vor dem Verhungern retten.
Bei diesem Worte kamen auf einmal gerade aus der Tiefe des Hügels, an dem er sass, sonderbare Töne herauf, und noch hatte er sich nicht recht besonnen, als drei schneeweisse Jungfrauen vor ihm standen, oder eigentlich um den Kohlenhaufen herumschwebten, ohne dass ein schwarzes Stäubchen an ihren prächtigen Mänteln hängen blieb. Sie hatten Blumen in den Haaren und goldne Stäbchen in der Hand. Die eine deutete damit auf die Spitze des Kalkfelsens, und sogleich öffnete sich dieser sanft zu einem grossen Gange. Da hinab führten sie den Kohlenbrenner in einen weiten Saal mit goldner Wand und boten ihm den Schlüssel an, mit dem er die Schatztruhen öffnen sollte, die ringsum dastanden. Der arme Mann wusste nicht, wie ihm geschah; halb aus herzlicher Verwunderung, halb aus christlicher Seelenangst fing er an zu schreien, Alle guten Geister . . .! und in einem Hui fühlte er sich nach oben gewirbelt und in die Sonne hinausgeschmissen unter die alten Eichen des Hügels, während ein bitteres Jammern und Wehklagen aus dem Boden scholl. Diese Waldgegend heisst heute noch der Jungferngraben und noch will man dorten singende Mädchen, aber auch Hundegebell und Pferdegewieher vernommen haben.
Andere Erzähler versetzen jedoch den Schauplatz dieser Begebenheit unter etwas veränderten Umständen in diejenige Gegend des Dorfes Magden, welche man Wachletä heisst. Auf der Hochebene, gegenüber dem Steinbruche des Dorfes, welche sich bis zur Ortschaft Augst hinunter erstreckt, zieht sich ein paar tausend Fuss weit eine muldenförmige Vertiefung fort, wo zwischen Saarweiden zahlreiche Wachteln anzutreffen sind; hier sollen denn auch die singenden Wachletä-Jumpfern gelebt und auf dieser Höhe soll unser Kohlenbrenner gewohnt haben. Er lag einst noch schlaflos auf seinem Laubsacke, als es auf dem Magdener-Kirchturme schon Eins geschlagen. Da fing es draussen vor seiner Hütte zu niessen an. Helf dir Gott, sprach er, helf dir Gott! und so sagte er es wohl dreissig Mal, ohne dass das Niessen draussen aufhörte. Hilft dir Gott nicht, sagte er zuletzt, so soll's der Teufel. Da hörte es auf, aber nun erfüllte Donnern und Krachen den Wald bis zum Morgen. Als sich nun der Mann in der Frühe vors Haus machte, sah er seinen ganzen Meiler bis auf einen Korb Kohlen versunken, an der Stelle aber quoll reichliches Wasser empor. Wäre er kein Narr gewesen, so hätte er den Korb Kohlen hübsch in's Haus herein getragen; so aber warf er ihn erzürnt ins Wasser. Dies fliesst heute noch, es trinkt aber kein Mensch davon, denn sonst setzt es Kröpfe ab. Aber diese Kohlen waren von den Jungfrauen, und mit ihnen ist auch ihr Esel verschwunden, der nichts frass und doch alle Morgen einen Korb voll Goldstücke legte.
Später ging einmal ein Jüngling mitternachts durch diesen Strich, um in aller Eile für seinen schwer erkrankten Vater den Arzt in Rheinfelden zu holen. Am grossen Steinbruch wünschten ihm drei Mädchen gute Nacht, und als er trotz seiner Atemlosigkeit freundlich darauf dankte, schwebten sie wie Vögel über den Talbach dem Waldberg zu. Der kranke Vater war bei des Sohnes Heimkehr schon genesen.
Als nach diesem ein Bauer mit seinem vierjährigen Söhnlein hier in später Nacht vorüber ging, kam ihm hier am Steinbruche plötzlich sein Kind aus dem Gesichte. Auf wiederholtes Rufen gab es ihm endlich weit drüben vom Bache her Antwort, und als er dorthin eilte, sah er, wie sein Büblein bereits Schuh und Strümpfe ausgezogen hatte, um durchs Wasser hinüber zu waten. Was machst du denn? wohin denn? rief der Vater. Ich kann nicht anders, sagte das Kind, die weisse Frau hat mir gewunken, dass ich ihr nach musste. Jetzt erst erinnerte sich der Bauer wieder der unheimlichen Dinge, die von diesem Orte gelten.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch