Thys Gruber zu Bärswil im oberen Simmental war ein glücklicher Mann. Er besass die schönsten Alpen weitum, so dass ihn die Nachbaren mit Fug den reichen Thys nennen konnten. Er hatte auch einen trefflichen Knecht, Niggi Pfänder, der zu seinen Herden und seinem Vieh Sorge trug. Das schönste von allem aber war Grete, des Meisters Tochter. Als zu Ende des Heumonats die Sennen sich bei Niggi auf der Bunfahlweide zum fröhlichen Alpfeste einfanden, stieg auch des Meisters hold Töchterlein hinauf, denn des Vaters hübscher und fleissiger Senn war ihr nicht gleichgültig. Das Alpfest aber führte die Herzen der beiden vollends zusammen und sie verlebten von jetzt ab ein wonniges Jahr bis zum nächsten Alpsonntag. An diesem Feste ereignete sich etwas, das beiden zum grossen Herzeleid werden sollte. Es gab nämlich hohen Besuch auf der Alp, würdigte doch der Junker aus der nahen Burg die Burschen und Mägdlein mit seiner Anwesenheit. Er schien es besonders auf Grete abgesehen zu haben, denn fleissig forderte er sie zum Tanz auf. Niggi aber wurde in tiefster Seele betrübt, ahnte er doch Unheil. Zumal, als später vom Tale die Kunde heraufkam, der feine Schlossherr sei jetzt Tag und Nacht im schönsten Haus von Bärswil häufiger Gast, kannte seine Sorge keine Grenzen. Er mahnte Gret, warnte und drohte. Es war alles umsonst. Als aber die Rosen verblüht hatten und der Herbst ins Land kam, hiess es, dass der Junker in ferne Lande gezogen sei. Gretchen aber schlich traurig und blass umher. Nun sollte ihm Niggi wieder gut genug sein. Der Senn aber stiess sie voll Abscheu von sich und verfluchte ihre Untreue. Da schrie sie: "Habe ich die Treue gebrochen, so soll in der schweren Stunde dein Fluch mich und die Frucht meiner Untreue treffen! Ich will auch im Grabe keine Ruhe finden, bis ich den Neuenberg über uns ins Tal heruntergehackt habe!" Der Fluch aber erwahrte sich an der törichten Jungfrau. Bald raffte ein vorzeitiger Tod sie und ihr Kindlein dahin. auf den Tag, ja in derselben Nacht, da sie mit dem Schlossjunker die Bekanntschaft geschlossen, brach ein furchtbares Gewitter los, welches vom Neuenberg eine Schlammlawine niedersandte und das Dorf Bärswil und seine Umgebung begrub. Noch heute sieht man zu Zeiten von droben Erde und Steine herabrollen dann sagen die Leute: "Das Lauigrabenfraueli kann nicht zur Ruhe kommen. Hört ihr es hacken?"
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.