a) Die Schlossjungfrau auf den Ruinen der Habsburg im Rheinstädtchen Gross-Laufenburg trägt einen mit Wein gefüllten Stauf in der Hand und wird von jenem erlöst werden, der ihr denselben trotz ihrer Wandlungen dreimal kredenzt.
b) Im Walde zwischen den Rheindörfern Wallbach und Zeiningen geht ein Weg, das Finstergässschen. Dort begegnet es, dass sich einem ein grosser Sack voll Laub vor den Füssen herwälzt. Wer den Mut hätte, still zu stehen und ihn zu öffnen, fände eben so viele Taler, als Blätter drinnen stecken. Auf diesem Wege kam einem Bauern eine Jungfrau entgegen und bot ihm ein Röschen an. Gerade diese unerwartete Freundlichkeit brachte ihn in Angst. Er entlief, wurde dann darüber ruhelos und beichtete es zuletzt seinem Pfarrer. Dieser aber tat recht ungehalten darüber, dass er eine Blume verschmäht habe, mit welcher man zu allen vergrabenen Schätzen gelangen kann.
c) Auf der Ruine Wessenberg bei Hottwil kann man mittelst eines schwarzen Kalbes den Schatz finden. Man weiss, dass ein grüngekleideter Mann droben im Berge steckt. Er trägt einen breiten Hut und Schnallenschuhe. Die Schlossjungfrau ist früherhin häufig im Tale erschienen und hat sich im Dorfbache gewaschen.
d) Beim Schlosse Homburg suchten ein paar Schatzgräber nach Geld. Da erschien ihnen eine Jungfrau, die sie in ungewohnter altertümlicher Rede ansprach und verhiess ihnen alle Reichtümer, wenn einer von ihnen eine Nacht bei ihr bleibe; sie möchten nun darüber unter einander das Loos werfen. Statt dies zu tun, sprangen die Männer atemlos den Berg hinunter. (A. Birrcher in Laufenburg.)
e) Das Hudikreuz bei Leuggern steht im Immenholz, wo sich die Wege ins Reuenthal und ins Sandfeld scheiden. Hier bei dem alten bemoosten Kreuze lässt sich ein Mädchen in bunter Tracht sehen. Sie trägt bald ein sog. Güggehü-Hütli, bald einen Kranz im Haar; bald ist sie weissgekleidet, bald hat sie eine grüne Jüppe und ein roth-gestreiftes Fürtuch an. Zwei Fuss hoch überm Boden schwebend zieht sie übers Feld hinauf längs dem Hag bis zum Strickerain. Am Giessberg macht sie mit ihrem Schlüssel ein Bohrloch in den Boden und versinkt beim Hudikreuz. So oft man sich diesem Nachts nähert, fängt es an zu rauschen. Sie soll hier unverdient den Tod durch Henkershand erlitten haben.
f) Elendskreuz heisst eine Grenzmark im Bezirk Kulm an der Strasse, die von Menzikon in den Kanton Luzern führt. An diesem Steinkreuze wurde eine Kindsmörderin hingerichtet. Man stürzte sie lebendig in ein Grab voll Dornen, überdeckte sie mit einer abermaligen Dornenlast und warf einen Haufen Findlingssteine drüber.
g) Stampfisbach nennt man eine kleine Waldung beim Schwyzer- Dorfe Wollerau, in deren Nähe eine Oeltrotte an einem Wildwasser liegt, das über eine Rise des nahen Waldberges Els herunterkommt. Ein Frauengeist spukt in diesem Dickicht und ruft nachts den Vorübergehenden zu: Drei Schritt aus dem Weg! Ein herzhafter Mann wich aber nicht zurück, sondern fragte sie um ihr Begehren. Sie verlangte, um selig zu werden, er solle ihr acht Messen, jede mit acht brennenden Kerzen, lesen lassen, dann sei das hier im Walde von ihr vergrabene Geld sein. Die versprochenen Messen wurden zu Wollerau richtig gelesen, die Stelle aber, wo das Geld im Walde lag, konnte nicht wieder aufgefunden werden.
h) Zwischen den Frickthaler-Dörfern Stein und Eiken liegt der Buchstallhag. In der dortigen Bruchmatte am Brunnen hütet ein weissgekleidetes Mädchen eine Schatzkiste und kommt sogar bis zur Landstrasse herab, um die Vorübergehenden freundlich anzusprechen. Man nennt sie das Bruchmattmaidli. Im Jahr 1846 versuchten Schatzgräber hier ihr Glück. Sie trafen, erzählten sie nachher, wirklich auf eine vergrabene Kiste, allein sie versank vor ihren Augen noch tiefer in den Boden hinein.
i) Die Bückli-Eiche. In der Nähe, wo Rhein und Aare zusammenstiessen, liegt am linken Aarufer das sog. Fullfeld. Beinahe in dessen Mitte erblickt man auf einer kleinen Anhöhe eine alte Eiche. An dieser Stelle, die jetzt Bückli-Eich genannt wird, soll einst ein schönes Schloss gestanden haben. Wo oder wie dessen Besitzer umgekommen, weiss man nicht, auch von seinem Haushalte ist weiter nichts bekannt. Doch muss es nicht ganz in Ordnung hergegangen sein, denn jetzt noch spukt es dort zur Nachtzeit. Eine weisse Jungfrau wandelt bisweilen auf dieser Stelle umher. Sie hat einen Schlüssel in den Händen und einen weissen Kranz auf dem Haupte. Sie geht mehremale im Kreise herum und verschwindet dann wieder. Die Bauern von Full haben sie schon oft so wandeln sehen, besonders zur Fronfasten und Adventzeit.
Ein Mann von Gippingen (Disli-Andres geheissen) hütete einst als Knabe dorten in der Nähe die Schweine. Da lief eines jener Weiber, die man hier zu Lande unter die Besessenen oder Betrübten rechnet, das Fullfeld hinunter und rief dem Knaben zu: "Kind, bei der Eiche dorten ist ein Geldschatz verborgen in einer eisernen Kiste, und ein schwarzer Pudel hütet!" Man fing nun sogleich an nachzugraben und fand einen Feuerherd mit Resten von Kohlen und Asche. Endlich stiess man auf eine Mauer. Noch weiter zu graben, hatten aber die Leute das Herz nicht, aus Furcht vor dem schwarzen Pudel.
Die Stelle ist seither unbebaut und öde. Wenn man mit einem Karste dorten auf den Boden schlägt, so tönt es, als ob unterhalb alles hohl wäre.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 261
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch