Einmal im Herbst, als das Vieh die Alpen längst verlassen hatte, gingen einige Jäger von Brienz und Iseltwald an Tschingelfeld auf die Gemsjagd. Tagsüber strichen sie dem Wild nach, aber es wollte sich wäger kein Scheichlein zeigen bandauf und -ab, und so mussten sie sich des Abends sackmüde und verdrossen in einer der Hütten auf die Gastere legen.
Zu durchgehender Nachtruhe sollten die Mannen aber auch nicht so leicht kommen. Es war wie verhext! Immer gegen Mitternacht schreckten sie aus dem besten Schlaf, dann pfiff gar wütig ein Wind um die Hütte, und es kam heran wie das Geläute von Glocken und das Getrampel von Kühen. Und zwischenhinein war eine menschliche Stimme zu vernehmen, die so bitter schluchzte und klagte, dass es den Jägern fast das Herz im Leibe umdrehte.
Eines Tages kam noch ein weiterer Jäger des Weges, sein Glück zu versuchen. Dem erzählten sie von dem nächtlichen Spuk. Meinte der, dem sei leicht abzuhelfen, sie sollten das nächste Mal einfach ein Messer neben sich in die Wand stecken, es bessere dann schon.
Und richtig, als sie gleichen Abends noch den Lärm herannahen hörten, steckte einer rasch sein Messer neben sich in die Wand. Daraufhin ertönte draussen ein einziger, fürchterlicher Schrei, dann wurde es still.
Den Mannen war der Schrei durch Mark und Bein gegangen, und die Haare standen ihnen zu Berge. Von Schlaf war diese Nacht keine Rede mehr. Am nächsten Abend kam das geheimnisvolle Senntum auch nicht wieder. Den Jägern aber verleidete das Weidwerk, und sie verliessen unverrichteter Dinge vorzeitig den unheimlichen Standort.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch