Die höchste der fünf Brienzeralpen, die Tschingelfeldalp, ist zugleich die abgelegenste und rauheste. Steil und gandig fallen ihre Weidhänge von der Ebenfluh, dem Gersten- und Schwarzhorn, zuhinterst ins Giessbachtal; und da an ihnen kein Grotzen Wald sich breit macht, sind sie allen Winden und Wettern preisgegeben. Als zahmste und beste Alp dagegen gilt die Axalp, die zu Füssen des Felsenzuges des Axalphorns und Tschingels sich über den waldigen Abstürzen zum Giessbach hinzieht und mit ihrem letzten Stafel, dem Lütschental, an die erstere anstösst. Vor Zeiten einmal soll die Güte dieser Alpen grad anders verteilt gewesen sein. Sie waren Eigentum eines einzigen Besitzers, der zwei Töchter hatte. Nach dem Ableben des Vaters teilten sich die Schwestern so in die beiden Alpen, dass die Jüngere, die zuerst wählen durfte, alle Schwesternliebe hintansetzend, sich für die bessere Tschingelfeldalp entschied. Der Älteren verblieb somit die geringere Axalp.
Nun war die Axalp, die damals einen andern Namen trug, deshalb die mindere, weil auf ihr viel wilder Wald und wenig Weidgras wuchs und das Raubgetier das Vieh bedrohte. Da hatte die Ältere aber einen Mann genommen, unternehmungsfroh wie nicht bald einer! Der hatte es bald heraus, wie man einen Nachteil zum Besten wenden kann. Da mussten Holzfäller her, apartig aus dem Tirol. Die schlugen mit eisernen Äxten den Wald von der Windegg bis weit hinüber unter die Schlafbühlenflühe, führten die Streiche so kräftig, dass diese in den Felsen widerhallten, räumten mit Tannen und Ahornen auf bis in einem breiten Streifen kein Tschuugger mehr stand und der vorher unnütze Boden für prächtig tragbares Weideland frei wurde. Freilich verging, nachdem die Tiroler mit ihren Äxten wieder abgezogen waren, noch manches Jahr, bis der gehackte Waldstreifen zu guter Weide geworden. Aber endlich kam doch einmal die Zeit, da die ältere Schwester die Teilung nimmer bereute.
Von den eisernen Äxten der Tiroler soll die Alp den Namen bekommen haben.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch