Zwischen der Wasserfluh und der Egg, zweien nachbarlichen Bergzügen im Aarauer-Jura, trifft man grosse Erdspalten und Klüfte, deren Tiefe unermesslich ist; sie alle führen in die Unterwelt. So ist im dort gelegenen Hochwalde Nothholz ein tiefer langer Graben, dass man ein Haus der Breite nach hinein bauen könnte; er wird aber jetzt noch immer tiefer und grösser, da das Gestein seines Innern ringsum heraufwächst.
Darum konnte da jener Basler-Falschmünzer, der sich hier oben verbergen und seine Fünfbätzler fortprägen wollte, kein Glück haben; die Erde stiess ihn aus, und nun sitzt er wieder in demselben Schellenwerk gefangen, wo er entsprungen war. Gerade so ist es auf dem obern Grat der Wasserfluh. Der Hubel dieses Berges ist viel höher als die überall hin sichtbare Spitze, und gerade dort ist ein solches befremdliches Erdloch. Buben warfen da einmal eine Katze hinein, aber sie kam lebendig am Fusse der Fluh bei einem Quell wieder hervor. Ein anderer Bube liess sich von den Kameraden halten und blickte in den Schlund. Er sah zuerst schwarze stockfinstere Nacht, die rückte plötzlich von der Stelle, denn es war ein schwarzer riesenhafter Vogel, der mit ausgebreiteten Schwingen unterirdisch in der Luft gehangen hatte und nun wegfliegend ins leere Blau blicken liess. An den Füssen musste man den Knaben wegziehen, im Schwindel wäre er sonst dem Vogel nachgesunken. Und hätte man die Länge einer endlosen Schnur, so dürfte man sie nur hinab lassen, sie käme in Amerika wieder heraus.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1, Aarau, 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch