Der Schusterdieb im Niederdor

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Es war noch in jener Zeit, da im Niederdorf Menschen mit warmschlagenden Herzen wohnten. Fahrendes Volk kam gerne hier vorbei, sei's um zu betteln oder zu hausieren, sei's auf der Burschenwanderschaft.

So klopfte einst ein armer Schuster, Arbeit suchend, an und fand in einem guten Haus, in welchem eine Bäuerin war, die hexen konnte, vollauf zu tun. - Ein Häuflein Schuhe lag neben ihm am Boden, die er zu flicken und zu nageln hatte; allein es war ihm nicht so ganz gemütlich bei der Arbeit, da ihm im Zimmer alles so geheimnisvoll vorkam und als erst die beleibte Bäuerin mit einem Butterkübel in die Stube trat, sich setzte, den Kübel zwischen ihre Beine klemmte, den Stöpsel auf- und abwärts zog und stiess, und dazu unaufhörlich dicke Nydle aus dem Kübel rann, da konnte er mit sich erst nicht ins reine Kommen, studierte, hämmerte und schielte immer wieder nach der alten Dicken in die Ecke.

Beim Abendessen wurde die schneeweisse Nydle aufgetragen und die mundete so herrlich, wie sie der Schuster in seinem Leben nie genossen hatte.

Hierauf bezog er seine kleine Kammer und legte sich schlafen. Er lag und grübelte. Da hörte er die Bauernfamilie noch aufs Feld ziehen, schlüpfte flink in seine Hosen, schlich in die Küche, fand und untersuchte prüfend den geheimnisvollen Butterkübel. An dessen Unterseite klebte ein beschriebener Zettel. Den löste er sorgfältig ab, verwahrte ihn, flüchtig zusammengefaltet, in seiner Hosentasche, schlich hurtig in die Kammer, schloss und legte sich aufs Ohr.

Halb träumend hörte er die Bäuerin in der Küche buttern.

Am Morgen fand er unter dem Stuhl, auf den er gestern Abend seine Hosen hingeworfen hatte, einen weissen Brei. Er starrte ihn glotzend und mit gerunzelter Stirne an.

Dann ging er fleissig an die Arbeit und schusterte. Und schusterte! Er sah und hörte nicht die Bäuerin mit dem Butterkübel in die Stube kommen. Er hörte nicht, dass sich die Türe öffnete und wieder schloss und wieder öffnete. Er hörte keine Stimmen flüstern.

Er schusterte! Gellendes Gelächter! Erstaunt schaute er auf. - Das Hausgesinde stand um ihn versammelt; die Bäuerin butterte im Winkel, und ganz verblüfft sah er aus seinem Hosensack ein dünnes Bächlein weisser Nydle tröpfeln.

Er senkte den glutroten Kopf und packte seine Siebensachen zusammen. Den Zettel tat er schweigend auf den Tisch - und kehrte noch am selben Tag dem lachenden Niederdorf für immer den Rücken.

 

Quelle: Georg Küffer, Lenker Sagen. Frauenfeld 1916. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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