In hellen Sommernächten, wenn das Herdengeläut auf all den Alpen rings umher mit den Jodlern der Sennen an den Felsen des Ammertenhornes verklungen hatte und kein Laut das Heilige der Nacht zu stören wagte als die junge Simme, die sich in ihrer trotzigen Freiheitssehnsucht aus dem eingeklemmten Schaumbett in das Tal hinunterwindet — kamen die jungen Burschen der Umgegend bald auf diesem, bald auf jenem Berge zusammen. Wenn dann beim Monden- und Sternenschein die Schneegipfel in den Himmel ragten, als ob sie mit Silber beschlagen seien, trat oft ein grün gekleideter, hinkender Herr mit spitzem Bart und flinken Äuglein in die Mitte der Gesellen, lüftete leicht den Hut und sprach ein verzwicktes Sprüchlein zum Gruss. Das war der Teufel, der sie allerlei Kunststücke lehrte, wofür sie ihm ihre Seelen verschreiben mussten. Er lehrte sie Kugeln giessen, die unfehlbar die flüchtigen Gemsen erlegen würden, lehrte sie tückische Handgriffe beim Kegel- und Kartenspiel, sang ihnen schlimme Liedlein vor, war dem einen oder andern beim Goldmachen behülflich und zeigte ihnen manch anderes zweideutige Zauberstücklein, um derentwillen sie sich dann an Tanzsonntagen bewundern liessen.
Da lebten einst zwei Freunde, die auch recht gerne hingegangen wären; nur wagten sie nicht recht, dem Teufel das verlangte Entgelt einzuwilligen; denn der eine von ihnen war fromm und mahnte immer wieder zur Umkehr, obwohl sie sich schon oft zusammen auf den Weg gemacht hatten.
Als sie einst in einer geheimnisvollen Nacht mit zagendem Herzen nach dem Berge unterwegs waren, wo sie die andern Burschen versammelt wussten, war ihnen, als schliche ein Schatten um ihre Füße. Der fromme äusserte wieder Bedenken; aber da rief der andere plötzlich mutwillig aus, nun! er gehe. Der Teufel möge ihn holen... Da war er verschwunden, und ein Rabe flog krächzend in die Nacht.
Von nun an strich der einsame Freund alle Nächte in den Bergen herum, beschwor den Teufel, bis er schliesslich erschien und bat und flehte ihn um den verschwundenen Freund. Der Teufel antwortete stets nur durch ein überlegenes Grinsen, obwohl es von Zeit zu Zeit heiser durch die Nacht krächzte, und wollte auch ihn für sich zu gewinnen suchen. Nichts half. Da ersann er eine List und eröffnete dem Bittenden folgenden Vorschlag: am nächsten Tage solle er zur Mittagszeit auf der Rohrbrücke eintreffen. Auf dem Geländer werde eine ganze Reihe Krähen sitzen, worunter sich auch der verschwundene Freund befinde. Wenn er ihn bis um ein Uhr erkenne, werde er sich wieder in einen Menschen verwandeln; andernfalls müsse auch er, der Zurückgebliebene, ein Rabe werden.
Freudig willigte er ein. Am andern Morgen stand er schon früh bei der Rohrbrücke. Um zwölf Uhr krächzte ein Schwarm Raben daher und setzte sich auf das Geländer. Er prüfte sorgfältig einen nach dem andern. Doch alle sahen ganz genau gleich aus und bei keinem liess sich ein kleines Erkennungszeichen bemerken. Er wagte nicht, einen zu bezeichnen und doch rückte schon ein Uhr heran.
Da begann im Turm die Uhr zu schlagen; einige Krähen erhoben sich und kreisten in die Höhe - vom Burgbühlhügel her schritt hastig und hinkend ein grün gekleideter Herr gegen die Brücke. - Voll Verzweiflung wollte er noch schnell auf den ersten besten hinweisen — da sah er aus den Augen eines Raben schwere Tränen hinunterrollen.
„Dieser ist's!" rief er aus.
Mit trübem Krächzen flogen die andern davon.
Quelle: Georg Küffer, Lenker Sagen. Frauenfeld 1916. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch